Beruflich im äußersten Süden Deutschlands unterwegs. Mal wieder auf Achse. Der eine Termin endet am Freitagabend, der andere beginnt am Montag in der Früh. 800 km bis nachhause, bis in den Osten Tschechiens. Nein, meine Frau und ich haben keine Lust auf 1600 km Autobahnstress. Was bietet sich als Alternative, um das Wochenende zu überbrücken? Österreich? Innsbruck? Prima! Bleiben wir also in der Region.
Gemütlich fahren wir über den Fernpass. Wo sich im Sommer die Urlauber drängen, stauen und gegenseitig verfluchen, rollt es heute gemütlich, und wir genießen die liebliche Landschaft. Blicken links, blicken rechts, und kurz vor Imst sehen wir plötzlich ein Schild. „Biermythos“.
Reflexartig geht der Fuß auf die Bremse, der Wagen rollt von der Durchgangsstraße herunter, das schmale Bergsträßchen hinauf. „Bist Du Dir sicher, dass dies der Weg nach Innsbruck ist?“, heißt es vom Beifahrersitz. „Nein!“, entgegne ich, „Ich habe nur vier magische Buchstaben auf einem Wegweiser gesehen: B, I, E und R. Und das sogar in mythischer Form!“
„Mythisches Bier? Ein Biermythos gar?“, mutmaßt meine holde Ehefrau und realisiert erst, als wir auf den Parkplatz fahren, wie nahe sie mit ihren Gedanken an der Wirklichkeit war. Biermythos steht auch hier oben am Eingang zur Brauerei Schloss Starkenberg.
Eine 700 Jahre alte Burg, eine Brauerei, die auf 200 Jahre Geschichte zurückblickt, und ein Rundgang durch Brauerei und Gemäuer, der die vielen hundert Jahre Geschichte erlebbar machen soll. So verspricht es die nette Dame, die unter dem Schild Biermythos die Eintrittskarten für die Brauereiführung verkauft. „Wie oft ist denn Führung, und wo ist Treffpunkt?“, möchte ich noch wissen, aber die Dame schüttelt den Kopf. „Keine Führung. Ich gebe Ihnen ein paar Zettel mit detaillierten Informationen, alles ist sauber beschriftet, und Sie dürfen ganz allein durch die Brauerei und die Burgkeller gehen.“
„Und am Ende“, fügt sie noch hinzu, „kommen Sie in den alten Ritterkeller. Da steht eine Schankanlage, und da können Sie sich so viel Bier zapfen, wie Sie wollen. Das einzige, worauf Sie achten müssen, ist, dass wir um 17:00 Uhr zuschließen. Wenn Sie dann noch drin sind, werden Sie zwar nicht verdursten, aber die Nacht wird lang, dunkel und einsam.“
Wir machen uns auf den Weg. Bestaunen noch einmal das große Wappen an der Schlossmauer und wundern uns, warum wir noch nie von der Brauerei Starkenberg gehört haben. Muss wohl einen sehr regional begrenzten Vertrieb haben.
Durch einen ampelgesteuerten Eingang betreten wir das Brauereigebäude. Ein paar alte Maschinen, der alte, ineffiziente Dampfkessel, mit Kohle beheizt, das typisches Brauereimuseum-Ambiente. Etwas dunkel, etwas staubig, aber eine interessante Zeitreise.
Wir gehen den Gang weiter, Treppen hoch, Treppen runter. Interessant ist es. Und plötzlich stehen wir mitten im Sudhaus, links und rechts von uns die kupfernen Geräte. An der Wand die große Schalttafel. Die Knöpfe sind erleuchtet, der Computer daneben läuft und überwacht Ventile, Temperaturen, Drücke. Kein Mensch zu sehen. Wir staunen ob des Vertrauens, das dem Besucher hier entgegengebracht wird. Wir könnten jetzt an allen Schaltern drehen, den Computer ausschalten oder versuchen, irgendwelche wilden Parameter einzugeben.
Ich kann mich nicht sattsehen, krieche fast in die Kupferkessel hinein und inspiziere jeden Winkel. Spannend. Und alles ist tipptopp in Schuss, blitzsauber, so, wie sich das gehört.
Langsam wandern wir weiter. Kommen an Kühlern und Filtern vorbei. Ich staune über das Schild „Lattenkühler“, frage mich, was das wohl ist, und erst, als ich um die Ecke biege, entdecke ich das fehlende „P“. Aha, also doch ein ganz normaler Plattenkühler, nichts Wunderliches, also.
Ein Lagerraum mit Maschinenteilen, die Schrotmühle, die Eismaschine, ein paar Hintergrundinformationen über die Rohstoffe. Und schließlich der Gärkeller. Offene Gärbottiche. Ob die noch betrieben werden? Mit Sicherheit nicht alle, denn ein paar der Bottiche sind umgewandelt worden in Badebecken, in denen die Besucher gegen gutes Geld ein Bad in Bier und Hefegeläger nehmen können. Ein Bad wird gerade vorbereitet. Die Pumpe summt, Dampfwolken steigen vom heißen Bier-Wasser-Hefe-Gemisch auf.
Es folgt der Gär- und Lagerbereich mit den großen Tanks. Alt und neu, nebeneinander. Und immer wieder detaillierte Erklärungen. Eine schöne Mischung aus Museum und tatsächlich betriebener, moderner Brauerei.
Ein großer Saal mit einem Sammelsurium von Möbeln und Einrichtungsgegenständen der letzten hundert Jahre. So haben die Brauer und Schlossherren früher gelebt. Eine Bibliothek, Musikinstrumente, Sessel und Sofas. Und schließlich die Treppe hinunter in den Rittersaal. Riesig. Etwas düster. Große Wappen an den Seitenwänden, gewaltige Tische und Stühle aus dicken Eichenbohlen. Und am Ende die versprochene Zapftheke. Wir bedienen uns, sitzen mit unserem Bier ganz allein in der riesigen Halle.
Das helle Zwickel schmeckt ein wenig scharf, etwas überspundet, aber das Dunkle ist ein feines, rundes und süffiges Bier. Jetzt ein kräftiges Essen dazu, noch hundert weitere Gäste, und dann könnte man hier feiern, dass die Wände wackeln.
Langsam steigen wir die Treppen wieder hoch, gehen in Richtung Ausgang. Viel haben wir gesehen, nur keine anderen Menschen. Ein ganz eigenes Brauereierlebnis. Der Ausgang führt uns in den Souvenirshop. Gläser, Bier, Schnaps, Andenken, Kitsch. Zum Glück sind die Koffer voll, wir kommen gar nicht in Versuchung, noch viel zu kaufen. Eine kleine Einkehr nur noch, im Brauereirestaurant.
Ein bisschen enttäuscht sind wir. Nach der alten, historischen Atmosphäre wirkt der Schankraum mit seiner quietschgrünen Farbe ein wenig kitschig. Ein Schloss-Pils darf es noch sein. Leider aus der Flasche, nicht aus dem Fass, gleichwohl, ein leckeres, schlankes Pils mit einem zarten, sauberen Hopfenaroma.
Eine nette Brauereibesichtigung. Mal etwas anders als sonst. Wir konnten dort mehr Zeit verbringen, wo wir das wollten, und wir konnten die Dinge überspringen, die uns nicht interessierten. Und wir hätten theoretisch! literweise Bier trinken können. Schön!
Der Biermythos, also der Rundweg durch die Brauerei Schloss Starkenberg, ist im Sommer, also von Mai bis Oktober, täglich von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, im Winter nur montags bis freitags von 10:00 bis 12:00 Uhr und 13:00 bis 16:00 Uhr. Gegen Voranmeldung sind auch andere Zeiten möglich. Die Anreise ist sinnvoll nur mit dem eigenen Wagen möglich; Parkplätze (gratis) sind direkt vor der Brauerei verfügbar.
Brauerei Schloss Starkenberg Betriebs GmbH
Griesegg 1
6464 Tarrenz
Österreich