Wieviel darf ein Craft-Bier in der Gastronomie kosten?

Am Beispiel des belgischen Trappistenbiers „Rochefort Trappistes 8“ in der 0,33 l-Flasche möchte ich mögliche Verkaufspreise in der Gastronomie, die sich aus alternativen Kalkulatationsverfahren ergeben, beschreiben.

Dieses Bier können deutsche Gastronomen online beziehen, also auch, wenn kein stationärer Getränefachgroßhändler in der Umgebung es gelistet hat oder wenn man es nicht selbst in Belgien, wo es sehr günstig in vielen Märkten rumsteht, beschaffen kann oder mag. Z.B. kostet eine Flasche dieses Bieres z.B. bei Bierpost.com 1,99 € incl. Mehrwertsteuer. Bestellt man 29 bis 30 kg Bier, ist der Versand kostenlos. Der Preis für Wiederverkäufer liegt etwas darunter, doch ich möchte diesen Preis hier nicht nennen. Um die Preise für Wiederverkäufer angezeigt zu bekommen, muß man sich anmelden und danach eine Gewerbebescheinigung an Bierpost.com senden. Gehen wir deshalb im Weiteren von 1,99 € brutto aus.

Das traditionelle Kalkulationsverfahren in der Gastronomie ist die Aufschlagskalkulation. Der realisierte Aufschlagssatz ergibt sich aus dem Verhältnis von Nettoumsatzerlösen und Wareneinsatz. Der geplante Auflschlagssatz bei neuen Produkten sollte nicht darunter liegen. Mitunter werden nach Produktgruppen differenzierte Aufschlagssätze ermittelt und verwendet. Bei einem Aufschlagssatz von 350% ergibt sich ein Bruttoverkaufspreis von 6,97 €. Dieses Kalkulationsverfahren ergibt in Verbindung mit hohen Aufschlagssätzen für Getränke, insbesondere für Proudukte, die im Einkauf teuer sind, Verkaufspreise, die sich nicht in allen Betrieben bzw. an allen Standorten durchsetzen lassen.

Ein anderes Kalkulationsverfahren ist die deckungsbeitragsbezogene Kalkulation. Dabei wird der Deckungsbeitrag vorhandener Produkte der Produktgruppe ermittelt, also die Differenz zwischen Nettoverkaufspreis und Nettoeinkaufspreis. Dieser sogenante Deckungsbeitrag wird bei neuen Prdukte auf den Nettoeinkaufspreis aufgeschlagen, um daraus den Nettoverkaufspreis zu ermitteln. Der Bruttoverkaufspreis ist um die Mehrwertsteuer höher. Würde der Deckungsbeitrag für 0,33 l Bier in einer Gaststätte z.b. 1,50 € betragen, könnte man das „Trappistes Rochefort 8“ für 4,15 € verkaufen, um damit genausoviel (bzw. -wenig) zu verdienen wie mit anderen Bieren dieses Volumens.

Beim Activitiy Based Costing (Prozesskostenkalkulation) würde man die bei jedem Bier möglicherweise verschiedenen Kosten der Beschaffung und des Verkaufs berücksichtigen. So ist der Zeit- und Kostenufwand der Beschffung bei Craft-Biere höher. Im Verkauf müssen Mitarbeiter geschult werden bis hin zum Biersommelier usw. Man benötigt evtl. Bierverkostungsgläser oder die Originalgläser der Brauereien usw. Der Einkäufer muß sich fortbilden, viele Biere verkosten und z.B. Bierfestivals besuchen.

Was ist der richtige Verkaufspreis? Das hängt natürlich ab von der Kostenstruktur der Gaststätte und den strategischen Zielen, etwa sich als Craft-Bier-Bar zu positionieren. Diese Zielgruppe kennt meist die Preise in den Brauregionen, in Online-Shops und auch in anderen Gaststätten sehr gut, akzeptiert hohe, aber nicht überhöhte Preise.

Ein paar Beispiele aus Deutschland und Österreich für Preise, die tatsächlich für das „Rochefort Trappistes 8“ verlangt werden:

Anmerkung: Österreich hat andere Steuern und Kosten als Deutschland.
Permanenter Link   Eingestellt von Gerhard Schoolmann @ 14:14

der Vogelbräu GmbHKarlsruheDEU

Als Rudi Vogel im Jahr 1985 seine erste Gasthausbrauerei, eine „Gaststätte mit Bierherstellung“, in Karlsruhe eröffnete, war er Vorreiter einer Bewegung, die mittlerweile ganz Deutschland erfasst hat. Gasthausbrauerei, das war seinerzeit ein Begriff, den man noch nicht kannte, der etwas ganz Neues darstellte und somit gebührt Rudi Vogel die Ehre, gewissermaßen die erste moderne Gasthausbrauerei Deutschlands gegründet zu haben.

Als ich im Laufe des Jahres 2003, als ich vorübergehend in der Nähe von Karlsruhe wohnte, mehrfach beim Vogelbräu in der Kapellenstraße einkehrte, habe ich mich immer wohl gefühlt die Stimmung an der Theke war immer gut, die Biere immer interessant, und vor allem gab es immer wieder neue, interessante Saisonbiere, ob es sich dabei nun um ein Altbier, ein Porter, einen Weizenbock oder das berühmte Vogellennium handelte. Insbesondere letzteres war, als ich es am 11. November 2003 kaufte, noch eine Sensation schließlich war das noch lange vor der Zeit, in der zunehmend mehr Kleinbrauereien in Deutschland begonnen haben, mit Starkbieren, Spezialitäten und Geschmacksevolution in der Flasche zu experimentieren.

Auch hier war Rudi Vogel somit ein Vorreiter.

Nachtrag 4. April 2015: Zwölf Jahre später war es mir endlich vergönnt, erneut beim ersten Vogelbräu einzukehren. Neben diesem ersten Lokal in der Kapellenstraße besitzt Rudi Vogel ja auch noch je einen Vogelbräu in Durlach und Ettlingen und das Brauhaus Watzke in Dresden. Der Vogelbräu in der Kapellenstraße ist also der Ur-Vogel, gewissermaßen der Archaeopteryx.

MiniaturNach wie vor hält Rudi Vogel an seinen Saisonbieren fest. Und der nette Brauch, im Frühjahr immer ein Bier als „Geheimbier“ einzubrauen, ohne zu verraten, um welchen Bierstil es sich handelt, ist mittlerweile fest etabliert. Die Gäste haben ein paar Tage Zeit, den Stil zu erraten und an einem kleinen Preisausschreiben teilzunehmen, bevor der Schleier vor dem Geheimnis gelüftet wird.

2015 war das Geheimbier ein helles Pale Ale, und genau heute, am 4. April, war dies bekanntgegeben worden. Klare Sache, dass ich es dann auch sofort probieren musste. Aber, ach!, die Enttäuschung war groß. Ein kräftiges Aroma von Schwefelwasserstoff stieg mir schon in die Nase, als das Glas vor mir stand. Es gibt viele Hefen, die dieses Aroma während der Gärung produzieren, aber bei ausreichend langer (der Niedersachse würde sagen „bei lang genucher“) Lagerung verschwindet dieser Fehlgeruch wieder.

Hier, heute, beim Pale Ale, nicht!

War denn wenigstens der Geschmack besser?

Leider auch nicht. Eine breite, kratzige Bittere und ein intensiver Hefegeschmack machen sich auf der Zunge breit und bleiben noch lange nach dem Schluck haften. Ein Freund, erfahrener Brauer auch er, meinte: „Ich habe schon lange nicht mehr so lange und lustlos an einem Bier rumgekaut, bis ich es endlich alle hatte!“

Tja, schade. Denn der Vogel kann’s besser. Viele erstklassige Sonderbiere habe ich seinerzeit getrunken, und auch das derzeitige Pils und das Märzen in den vergangenen Wochen, das ich in Ettlingen und Durlach probiert hatte, waren lecker. Das Pale Ale leider nicht. Verbraut!

Der Vogelbräu in der Kapellenstraße ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend geöffnet, kein Ruhetag. Zu erreichen ist er problemlos mit den S-Bahnen Linie 2, 4 und 5 und Straßenbahnen 1, 2, 4 und 5, Station Durlacher Tor. Gerade einmal 150 m weg. Parken ist schwierig; mit etwas Glück findet man ab 17:00 Uhr und am Wochenende einen Parkplatz an der Friedrich-List-Schule gegenüber.

Bilder

der Vogelbräu GmbH
Kapellenstraße 50
76 131 Karlsruhe
Baden Württemberg
Deutschland

Au BrasseurStrasbourgFRA

Am Rande der quirligen und bunten Altstadt Strasbourgs findet sich eine kleine Gasthausbrauerei, Au Brasseur. Untergebracht ist sie in einem Gebäude, das vor vielen, vielen Jahren schon einmal eine Brauerei beherbergt hat: Bis zum Jahr 1746 kann man die bierige Historie des Hauses zurückverfolgen, wenn auch die von Jean Hatt gegründete Brauerei L’Espérance, 1863 ihre Pforten für immer geschlossen hat.

Erst 1991, nach mehr als hundert Jahren, wurde hier wieder begonnen, Bier zu brauen, und heute, am 3. April 2015, ist die Gathausbrauerei Au Brasseur ein Anziehungspunkt für Bierliebhaber, die Strasbourg besuchen.

MiniaturEin interessanter Stil, in dem die Brauerei eingerichtet ist, das war mein erster Gedanke. Hell türkisfarben lackiertes Eisen bereits am Eingang, mit dem Schriftzug „Au Brasseur, 1756, Strasbourg“, was vielleicht eine etwas mutige Interpretation der tatsächlichen Geschichte des Gebäudes ist.

Drinnen, im großen Schankraum, steht eine recht voluminöse, kupferne Sudanlage genau in der Mitte. Große Glasfenster mit hell türkisfarben gestrichenen Sprossen erlauben den Blick von allen Seiten auf die Brauerei. Rund herum gruppieren sich Tische und Stühle, meistens auch ledergepolsterte Bänke, Sofas. Ein typisch französisches Kneipen-Ambiente. Rechter Hand die Theke, an der sich auch auf einer Kreidetafel die Liste der hier angebotenen Biere befindet. Fünf Stück derzeit, und zwar vier Standardbiere und ein Saisonbier.

Die vier Standardbiere gibt es auch als Tester vier Mal 0,15 l in kleinen Kelchgläsern zum Verkosten. Klare Sache, die erste Bestellung stand somit schon einmal.

Aber die Enttäuschung war groß. Alle vier Biere litten unter einem dumpfen, muffigen Grundaroma. Altes Malz? Alte Hefe? Ich weiß es nicht. Sie waren zwar trinkbar, aber ein reiner Genuss war es nicht. Am ehesten konnte noch das Blanche de L’Ill überzeugen, ein Witbier im belgischen Stil. Hier war es der Koriander, der noch ein bisschen Frische in das Glas brachte. Das Blonde des Bateliers war ein typisch südländisches, süßliches Bier, das, wenn es etwas frischer dahergekommen wäre, sicherlich ein schönes Sommerbier ergeben hätte. Das Ambrée St. Guillaume war langweilig dumpf, ohne echtes Aroma, und das Brune du Quai wies einen etwas künstlich wirkenden Kaffeegeschmack auf.

Nach dieser Enttäuschung richtete sich meine Hoffnung auf das Saisonbier, das Bière de Printemps, von dem ich mir dann eine etwas größere Portion (0,3 l) bestellen musste. Aber ach, die seltsame dumpfe Note, die ein wenig an einen alten Dachboden, der schon ewig nicht mehr betreten und gelüftet worden ist, erinnert, war hier noch ausgeprägter als bei den anderen Bieren. Wirklich schade.

Die Speisekarte bietet eine lange Liste von Elsässer Flammekueche an, hier in Strasbourg sicherlich immer eine gute Wahl. Am besten mit Sauerkraut, Choucroute, einer weiteren Elässer Spezialität, oder mit einer der vielen angebotenen Käsesorten. Im Gegensatz zum Bier schmeckten die Flammekueche wirklich fein. Hauchdünner Teig, knusprig, und darauf ein sättigender, leckerer Belag.

Fazit für heute: Traurig, wenn man eine Gasthausbrauerei nicht wegen ihres Biers, sondern nur wegen des Essens besuchen, auf das Bier lieber verzichten sollte. Traurig, aber wahr.

Die freundliche und herzliche Bedienung konnte sicherlich nichts dafür, aber sie wird sich ob unserer wenig begeisterten Mienen vielleicht ihren Teil gedacht haben.

Die Brauerei Au Brasseur ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Sie befindet sich etwa dreihundert Meter ostwärts vom Straßburger Münster. Vom großen Parkhaus in der Innenstadt am Place Gutenberg sind es somit nur wenige Minuten Fußweg.

Bilder

Au Brasseur
22, rue des Veaux
6700 Strasbourg
Frankreich

Park & Bellheimer Brauereien GmbH & Co. KG Bellheimer BrauereiBellheimDEU

USP oder Unique Selling Proposition eines der Zauberwörter der Wirtschaftslehre. Das Alleinstellungsmerkmal. Das Merkmal, das einen Betrieb von seinen Mitbewerbern unterscheidet, ihn einzigartig macht und ihm so eine bessere Ausgangsposition im Kampf um das Geld des Kunden verschafft. Das kann die Qualität eines Produkts sein, sein Preis oder eine einzigartige Eigenschaft. Manchmal auch ein Symbol.

Fragt man in der südlichen Pfalz einen Kunden, was er assoziiert, wenn er an einen Zylinder und ein Monokel denkt, dann kommt fast automatisch die Antwort: „Bellheimer Lord Pils“. Ein stilisierter englischer Lord mit Zylinder und Monokel ziert seit vielen Jahrzehnten das Etikett des aus Sicht der Bellheimer Brauerei edelsten Biers der eigenen Produktion, das Lord Pils.

Die Bellheimer Brauerei versteht es geschickt, dieses Symbol als Alleinstellungsmerkmal zu pflegen, und seit 2001 wird jedes Jahr beim Auftakt der Kirchweih, oder Kerwe, wie sie in der Region heißt, ein Lord ernannt, der für ein Jahr Repräsentant Bellheims und seiner Brauerei ist. Seine Symbole und Insignien umfassen den Zylinder und das Monokel, aber auch einen überdimensionalen silbernen Nagel, der an den Brauereigründer Johann Karl Silbernagel erinnern soll.

MiniaturDie 1865 von eben diesem Johann Karl Silbernagel gegründete Bellheimer Brauerei feiert derzeit ihr 150jähriges Bestehen. Drei Kriege hat sie miterlebt und überlebt, den Deutsch-Französischen, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. 1995 fusionierte sie mit der in Pirmasens ansässigen Parkbrauerei und firmiert seitdem unter Park & Bellheimer Brauereien.

Insgesamt elf verschiedene Biere werden hier in Bellheim gebraut, und in den letzten Jahren hat man vorsichtig versucht, Spezialitäten anzubieten. Man ist noch weit von wirklich spannenden Bieren entfernt, aber mit dem Jahrgangsbier Hopfengarten, für das eigener Hopfen genutzt wird, der in einem kleinen Hopfengarten direkt an der Brauerei angebaut wird, und mit dem Edelbier Chapeau, das ausschließlich in 0,75-l-Flaschen angeboten und mit Champagnerhefe vergoren wird, wagt man die ersten Schritte.

Nur wenige Schritte von der Brauerei entfernt befindet sich in der Hauptstraße 78 das Bellheimer Braustübl, der Brauerei-Ausschank. Es handelt sich um ein gutbürgerliches Restaurant mit Hotel direkt an der Durchgangsstraße durch Bellheim, in dem freundliches Personal die Biere der Brauerei und Pfälzer regionale Küche servieren. Historische Bilder aus der Brauerei zieren hier die Wände, allerdings leidet das Restaurant darunter, dass nur der Raucherbereich ein wenig Gemütlichkeit ausstrahlt, während der Nichtraucherbereich eher kühl, wenig einladend wirkt. Hier ist sicherlich noch ein wenig „room for improvement“, wie es der Lord diplomatisch ausdrücken würde.

Die Bellheimer Brauerei kann mit Gruppen auf Anfrage besichtigt werden. Für eine Verkostung der Biere ist das Bellheimer Braustübl montags, mittwochs, donnerstags und freitags von 11:30 bis 14:30 Uhr und ab 17:00 Uhr geöffnet, sonnabends nur ab 17:00 Uhr, sonntags durchgehend ab 11:30 Uhr, und dienstags ist Ruhetag. Parkplätze finden sich in begrenzter Zahl im Innenhof, ansonsten muss man etwas suchen. Oder man kommt mit der Bahn. Vom Bahnhof Bellheim aus sind es etwa 20 min zu Fuß bis zur Brauerei oder dem Braustübl, in dem man nach zu reichlichem Genuss der Bellheimer Biere auch übernachten kann.

Bilder

Park & Bellheimer Brauereien GmbH & Co. KG Bellheimer Brauerei
Karl Silbernagel Straße 22-24
76 756 Bellheim
Rheinland Pfalz
Deutschland

Erstes Jockgrimer Brauhaus s’FröschlJockgrimDEU

In freudig angespannter Erwartungshaltung sitzt der Chronist vor der Tastatur seines Laptops und lässt einen durchaus angenehmen Abend gedanklich Revue passieren. Eine Reihe interessanter Eindrücke möchte er zu Papier, elektronischem jedenfalls, bringen. Seine Gedanken schwingen frei und harmonisch durch die Gehirnwindungen.

Eine langgestreckte, verkehrsberuhigte Straße durch ein Wohngebiet der kleinen Gemeinde Jockgrim unweit des Rheins in der Abendsonne des 1. April 2015. Kleine Häuser, beschauliche Vorgärten.

Wie ein Wetterleuchten zuckt plötzlich ein störender Gedanke für Sekundenbruchteile durch die linke Gehirnhälfte, ist rasch wieder abgeklungen.

Der Chronist nähert sich einem etwas größeren Haus am Ende dieser kleinbürgerlichen Idylle. Gar nicht einschüchternd, die Architektur, sondern harmonisch sich einfügend in den Rest des Ensembles. Eine zeltartige Konstruktion überdacht einen kleinen Biergarten, und eine Leuchtreklame macht auf das Erste Jockgrimer Brauhaus und sein Jockgrimer Froschbräu aufmerksam.

Vorfreude macht sich breit. Kühles und erfrischendes Bier, leckeres Essen. Nette Gesellschaft. Deutsche Gemütlichkeit.

Erneut zuckt ein Blitz über den gedanklichen Horizont, ein fernes, bedrohliches Grollen, graue Wolkenschleier im Hinterkopf, sie sich langsam aufzutürmen beginnen.

Unwillig schüttelt der Chronist den Kopf, nein, das kann nicht sein. Nicht dieser Gedanke.

Die Assoziationen werden wieder angenehm. Ein Parkplatz ist rasch gefunden, direkt vor der Brauerei. Alles ist gut. Die eher an einen gewöhnlichen Wohnhaus-Eingang erinnernde Tür öffnet sich. Stimmengewirr, die Gaststube ist gut besucht. Es riecht nach leckerem Brathähnchen. Hm! Das Herz springt in der Brust.

Doch, o weh, elektrische Potentiale in den Synapsen bauen sich auf; der zitternden Nadel eines Potentiometers gleich zucken die Augen des Chronisten. Die Wolken am gedanklichen Horizont beginnen, sich aufzutürmen. Hoffentlich entlädt das Gewitter heute nicht. Nicht heute!

Kupfern glänzt das kleine Sudwerk der Firma Dreher, das Modell mit der Schublade für den Treber unten, wie ich es schon in anderen Brauereien gesehen habe. Seit 1999 wird hier, mitten in Jockgrim, mitten im Wohngebiet, Bier gebraut und ausgeschenkt.

Ich setze mich, die freundliche Bedienung kommt, ich bestelle ein kleines Helles, und im Nu steht es vor mir. Gut eingeschenkt, ein fester Schaum, goldgelbe Farbe, leicht trüb.

Ein erster Schluck: Grundsolides Bier. Nichts Exotisches, aber süffig. Ein schöner Durstlöscher nach einem langen Arbeitstag.

Um mich herum ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Arbeiter am Tresen beim Feierabendbier. Turtelnde Paare in der kleinen Nische. Lärmende Gruppen mit großen Gläsern am Fenster. Mittendrin eine Familie, drei Generationen, beim guten Abendessen. Ein paar Rentner.

Da ist sie plötzlich wieder. Die Hochspannung. Gewaltige Ladungen ballen sich, einem überladenen Kondensator gleich. Jeden Moment muss es krachen. Nein, nicht hier. Nicht jetzt. Nicht heute. Ich werde mich doch nur wieder ärgern, wenn sich dieser Gedanke breit macht. Bedrohlich knistert es in den Hirnwindungen. Meine Muskeln kontrahieren. Langsam entlädt sich die Spannung wieder, der Gedanke verschwindet.

Zunächst…

Zurück in die Gaststube. Zwei Sorten Bier werden hier standardmäßig gebraut. Das eben beschriebene Helle. Und ein malzigeres Dunkles. Fast schon klar kommt das Dunkle auf den Tisch. Appetitlich schaut es aus, und es ist ebenfalls, wie sein heller Zwilling, ein solides Trinkbier. Nicht lang verkosten, nicht lang nachdenken. Den Durst löschen, das ist die Devise.

Eine Devise, die verstanden wird an den Nachbartischen. Ich bin der einzige, der kleine Gläser trinkt. Überall sonst stehen große Halbliter-Glaskrüge. Auch vor den eher zierlichen, weiblichen Gästen.

Alles passt!

„Nein! Gar nichts passt!“, jagt der eben noch so erfolgreich verdrängte Gedanke wieder durch mein Hirn. In immer wieder neu sich aufbauenden Kaskaden schießen die ungewünschten Assoziationen über das Firmament. Bauen sich aufeinander auf. „Schreib es nieder!“ grollt es aus den dunkelviolett gefärbten Gedankengewitterwolken. „Schreib es auf!“ donnert es und rauscht in den Ohren.

Ein letztes Mal gelingt es mir, den Gedanken zu unterdrücken. Ich studiere die Speisekarte. Eine lange Liste von Fischgerichten gibt es zur Zeit. Karwoche. Aktionswoche. Dazu die Brathähnchen, die ich beim Hereinkommen schon gerochen habe. Deftige Brauhausküche, aber auch leckere Salate. Spaghetti mit Meeresfrüchten. Eine große Auswahl, überraschend für ein so kleines Brauhaus am Rande des Wohngebiets. Angemessene Preise, freundliche Bedienung.

Das Ambiente nett. Die richtige Balance zwischen Gemütlichkeit, Originalität und einer kleinen Portion Kitsch. Keine Hipster-Bar wie in Berlin, sondern solide Bürgerlichkeit. Ein Brauhaus für das Feierabend-, das Nachbarschafts-, das Einfach-nur-mal-so- und das Familien-Bier.

Ich sinne nach, wie ich mein Lob formuliere, ohne zu übertreiben…

Arrgh! Ächz!

… solide, bürgerlich. Keine weite Anreise wert, aber wenn man in der Nähe ist…

Gnnngh! Meine Kiefer verkrampfen…

… dann lohnt es sich, hier einzukehren, sich an den Tisch neben dem kupfernen…

Ohhhh! Da ist es wieder. Das Böse! Der böse Gedanke. Nein…

… Sudkessel zu setzen, ein oder zwei oder drei Biere zu bestellen, eine Kleinig- oder Großigkeit zu essen…

… doch! Schreib es! Schreib es! Schreib es!!!

… und einfach zu entspannen. Vielleicht auch beim jahreszeitlich angemessen angebotenen…

Jetzt!!! Jetzt!!! Jetzt!!! Die Kräfte verlassen mich, mein Widerstand schwindet…

… Starkbier, das ich heute leider nicht probieren konnte, da ich noch fahren musste.

Ich winde mich, Schweiß tritt auf die Stirn, und wie ein gewaltiger Schlag, einem Vulkanausbruch gleich, das Wort fährt hernieder, krachend schlägt es ein und steht vor mir auf dem Bildschirm. Verzweiflung, ich wollte es nicht! Es hat mich übermannt. Da! Da steht es vor mir:

Deppen-Apostroph!!!

Ah, ich wollte es nicht schreiben, wollte das Brauhaus nicht provozieren, nein!

s’Fröschl!

Wo kommt er her, der böse Gedanke, der böse Apostroph, was hat er hier zu suchen. Verschwinde, Du verdirbst mir den Biergenuss, den schönen Abend, meinen gelungenen Text! Weg, nur weg! Fort von hier!

MiniaturAch, es ist zu spät.

s’Fröschl.

s’Fröschl! Mit Apostroph!!!

s’Fröschl.

Noch lange kreisen die Gedanken um den Apostroph. Nur langsam entlädt sich die Spannung. Es war doch eigentlich so schön am Kupferkessel zu sitzen, das Bier zu trinken, das eigene Spiegelbild am Sudkessel zu sehen.

Warum nur musste der Apostroph alles verderben? Warum sich so in den Vordergrund drängen? Warum diesen Bericht verhunzen? Ach, ich weiß es nicht.

Kalter Schweiß steht auf der Stirn, ich klappe den Laptop zusammen.

Nächstes Mal, lieber Leser, wieder ruhiger. Ohne Dissonanz. Wieder um reine Objektivität bemüht.

Sorry, liebe Leute vom Ersten Jockgrimer Brauhaus. Es war doch eigentlich so schön bei Euch! Im s’Fröschl.

Wie es im Flyer des Brauhauses heißt: Willkommen im s’Fröschl.

Das Erste Jockgrimer Brauhaus ist täglich geöffnet; montags und sonnabends ab 18:00 Uhr, dienstags bis freitags ab 17:00 Uhr uns sonntags schon ab 11:30 Uhr. Durch seine Lage im Wohngebiet findet man eigentlich immer einen Parkplatz in einer der Straßen rundherum, aber besser ist natürlich die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Bahnhof der Regionalbahn ist direkt nebenan, vielleicht zwei Minuten zu Fuß entfernt.

Bilder

Erstes Jockgrimer Brauhaus s’Fröschl
Buchstraße 5
76 751 Jockgrim
Rheinland Pfalz
Deutschland