Líšeňský Pivovar spol. s r.o.Brno LíšeňCZE

Líšeň eine dieser Satellitensiedlungen, die einen hässlichen Ring um Mährens Hauptstadt Brno ziehen. Plattenbauten, soweit das Auge reicht, mit acht, zehn und mehr Stockwerken. Dazwischen schmale Straßen und große Parkplätze, die einen Irrgarten bilden, in dem man sich als Ortsfremder rasch verheddern kann. Wenn man nicht gerade hier wohnt oder hier Bekannte und Freunde hat, die man besuchen will, gibt es eigentlich keinen Grund, nach Líšeň zu fahren.

Oder etwa doch?

Mitten drin, in einem flachen, unscheinbaren Bau das Schild Líšeňský Pivovar, Líšeňer Brauerei. Steaks, Burger, hausgemachte Küche und eine große Auswahl Bier werden versprochen.

Wir gehen durch eine Art Biergarten oder überdimensionierter Terrasse mit Stühlen und Tischen, an denen man auch jetzt im Winter draußen sitzen könnte und wenn so wie heute die Sonne scheint, wird das tagsüber der eine oder andere, besonders, wenn er Raucher ist, bestimmt auch machen und betreten den Schankraum. Ãœberraschend groß, recht hell und einladend, und als besonderer Blickfang: Die modern gestylte Theke, die nahtlos in das nicht minder modern wirkende Sudwerk übergeht.

Zwei stählerne Geräte stehen dicht nebeneinander, mit einer Blende verbunden. Als Gast kann man nicht dahinter blicken, aber man sieht an der Wand einen Kontrollmonitor hängen und kann sich vorstellen, dass der Brauer, wenn er zwischen den Geräten steht und hantiert, sich fast wie Captain Kirk auf der Kommandobrücke der Enterprise fühlt.

Wir nehmen im Blickfeld des Brau-Captains Platz und blättern die Karte auf. Wie immer natürlich zuerst hinten, wo die Getränke stehen: „Fünf Biersorten zum Testen!“ steht dort (natürlich auf Tschechisch), und ich überlege nicht lange. Dazu bestellen wir uns aus der reichhaltigen Auswahl an deftiger Kost zwei urtypisch tschechische Gerichte: Tatarák, also rohes Mett mit rohem Ei, gebackenem Brot und Knoblauch, und gebackenen Camembert (Hermelín) mit Pommes.

Meine Bierprobe kommt, und ich mache große Augen: Keine kleinen Probiergläser, sondern fünf Krüge mit fünf verschiedenen Sorten Bier. Ein bisschen mehr, als erwartet, und meine holde Ehefrau feixt. „Viel Spaß am frühen Nachmittag wenn wir gleich zuhause sind, kannst Du direkt ins Bett gehen!“ Vermutlich hat sie recht. Aber vorerst mache ich mich mal an die Verkostung.

Als erstes ein Pumpkin Ale mit 13° Stammwürze. Deutlich spürbares Kürbisaroma und erfreulicherweise fast keine Weihnachtsgewürze. Kürbisbier schmeckt pur schon merkwürdig genug, aber wenn es dann noch mit Unmengen von Anis, Zimt, Gewürznelken, Kardamom, Koriander, Vanille und was sonst noch „verfeinert“ wird, ist es im Allgemeinen nur noch aufdringlich und fast untrinkbar. Dieses hier nicht. Im Gegenteil, es schmeckt sogar recht gut. Ist allerdings zu warm.

Bier Nummer 2: Weißbier, oder PÅ¡enice, 12°, ebenfalls zu warm und wunderlicher Weise mit einem Hauch von Rauch im Aroma und ganz leicht auch im Geschmack. Lange nicht so intensiv wie im Grodziskie, dem polnischen Rauchweizen, oder im Schlenkerla Rauchweizen, aber doch so deutlich, dass man es sofort bemerkt. Leider auch zu warm, und insofern ebenfalls kein sehr großer Genuss.

Als Drittes das ÄŒerné mit 13°. Ein schönes, urtypisches tschechisches Schwarzbier. Kräftig malzig, leicht süßlich, vollmundig und süffig. Ein großes Bier ersetzt einen Imbiss, zwei eine ganze Mahlzeit. Und im Gegensatz zu den ersten beiden Bieren auch gut gekühlt. Lecker.

Ebenfalls lecker, aber nach dem vorherigen Bier doch ein wenig zu dünn wirkend, das Moravan, ein elfgrädiges Helles. Unauffällig, schlank, mit einem Hauch Diacetyl, mäßig gespundet, ein Bier, um schnell mal den Durst zu löschen.

Das beste Bier aus der Runde ist das letzte, das fünfte, das Pepa 12°. Ebenfalls ein Helles, aber ein bisschen stärker, ein bisschen ausdrucksvoller, ein wenig hopfiger. Schön ausgewogen, leicht malzig, leicht bitter, elegant und angenehm. Ein guter, unauffälliger Begleiter mit guten Manieren zum kräftigen Essen. Schön!

Nach diesen fünf „Probiergläschen“ soll es aber genug sein. Wir erstehen noch eine Flasche Barbora, einen Weihnachtsbock mit 17°, der sich später daheim als runder, weicher, vollmundiger, halbdunkler Bock erweisen sollte, der bestimmt auch noch eine längere Lagerung vertragen könnte, aber trotzdem schon sehr lecker schmeckte.

Noch ein Weilchen genießen wir die angenehm und freundliche Atmosphäre in der Líšeňský Pivovar, betrachten die netten Wanddekorationen, die uns den Brauprozess, eine Landkarte mit den wichtigsten Hopfenanbaugebieten und Brauereien in Tschechien und den Stammbaum der Bierstile zeigen. Einen Blick werfen wir noch auf die Kreidetafel, die die Bierkarte ersetzt: Neun Biersorten hätte es heute gegeben. Fünf haben wir probiert, eine wird eingepackt. Bleiben noch drei weitere Gründe, hier mal wieder herzukommen.

Die Líšeňský Pivovar spol. s r.o. wurde im Juli 2001 in der Brünner Trabantenstadt Líšeň in unauffälliger Lage eröffnet. Sie ist täglich von 11:30 h bis Mitternacht durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie mit dem Auto (Parkplatz direkt vor der Tür) oder der Straßenbahn, Linie 8, Haltestelle Kotlanova, und dann ein Fußweg von lediglich 150 m.

Bilder

Líšeňský Pivovar spol. s r.o.
Kotlanova 2162/5
Líšeň
628 00 Brno
Tschechien

Pivovar VraníkTrnavaCZE

Wenn die Dörfer so klein werden, dass sie keine Straßennamen mehr kennen, dann weiß man, dass man tief in der Provinz angekommen ist. So zum Beispiel im Dörfchen Trnava, irgendwo hinter Zlín in den Bergen. Eine ganze Weile sind wir über kleine und kurvige, heute zum Teil auch vereiste Sträßchen gefahren, aber nun stehen wir doch vor dem Haus mit der Nummer 23: Pivovar, Penzion, Hostinec steht groß an der Giebelseite, und daneben das Wappen mit dem Pferdekopf: Vraník Rodinný Pivovar v TrnavÄ›.

Ein recht kleines Gebäude nur, dafür dass es Brauerei, Pension und Gastwirtschaft unter einem Dach vereint, und wir erwarten hier am Ende der Welt nichts Besonderes. Trotzdem treten wir frohgemut ein und lassen uns überraschen.

Und überrascht sind wir in der Tat. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Allerweltskneipe wirkt, entpuppt sich als wirklich nette Brauereiwirtschaft. Eine umfangreiche Speisekarte mit allem, was deftig und rustikal ist, gerne auch in einer englischen Version für Gäste aus dem Ausland. Eine junge Dame, die fließend englisch spricht und uns bei der Auswahl der Gerichte berät. Und schließlich: Eine Liste von immerhin sieben verschiedenen Bieren, die hier vor Ort produziert werden.

Wir machen es uns gemütlich, bestellen ein wenig hiervon, ein wenig davon, und dazu ein lokal gebrautes India Pale Ale.

Das Bier kommt rasch, schön kupferfarben, nur ganz leicht opak, steht es vor uns im Glas, gekrönt von einem festen, lange haltbaren, schneeweißen Schaum. Appetitlich schaut es aus. Ein leichter Hauch Diacetyl begrüßt die Nase, bevor ich den ersten Schluck nehmen kann. Eine offensichtlich sehr tschechische Interpretation des Bierstils. Dann der erste Schluck: Rund und malzig, und erneut ein deutlich spürbares, wenn auch zum Glück nicht zu dominantes, Diacetyl-Aroma. Die Hopfencharakteristik erstaunlich dezent etwas bitterer, etwas kräftiger zwar, als in einem normalen tschechischen Hellen, aber nicht wirklich eines IPA würdig. Zu vorsichtig, zu zurückhaltend gehopft. Ein leckeres Bier jenseits aller Stil-Konventionen, aber gewiss kein IPA. Aber es ist Kritik auf hohem Niveau, denn es ist süffig und lecker.

Und preiswert.

Und da kommen auch schon die Hauptgerichte, und uns gehen die Augen über: Was als Kleinigkeit bestellt worden war, erweist sich als gewaltige Portion. Statt eines kleinen, gefüllten Kartoffelpuffers (naplnÄ›ný bramborák) kommt ein Puffer von den Ausmaßen eines Wohnzimmerteppichs, aufgerollt und prall gefüllt mit Hühnerbrust. Der kleine Bauernsalat (Å¡opský salát) dazu kommt auf einem Riesenteller, den er locker ausfüllt. Und mein gebackener Käse (smažený hermelín) mit Pommes (hranolky) erweist sich als ein Set von drei verschiedenen, ausgewachsenen Käselaiben, paniert und gebacken und neckisch auf einem Gebirge aus Kartoffelstäbchen drapiert. Dazu ein Eimer mit Tatarka, einer Art Remoulade.

„Wer soll das alles essen?“, fragen wir uns und machen uns verzagt ans Werk. Es schmeckt ausgezeichnet, aber nach zwei Dritteln müssen wir entkräftet aufgeben. Die Bedienung lächelt verständnisvoll, als sie die Reste abräumt wir scheinen nicht die ersten zu sein, die diese Portionen nicht geschafft haben…

Einen Verdauungskaffee gönnen wir uns noch, und dann geht es wieder los wie immer liegen noch viele Kilometer vor uns, und die ziehen sich bei den vereisten Straßen ganz schön. Wir erstehen von jeder der sieben Biersorten noch eine PET-Flasche zum Mitnehmen.

Wie in so vielen kleinen tschechischen Brauereien werden die Biere jeden Tag frisch auf PET-Flaschen gezogen und in einem kleinen Kühlschrank neben der Theke angeboten. Spätestens mit Einführung regelmäßiger Alkoholkontrollen und der 0,0-‰-Grenze hat sich dieses Verfahren fast überall eingebürgert. Man holt sich beim Essen den Appetit auf das Bier und nimmt es dann frisch gekühlt nachhause mit. Für ein paar Tage ist die PET-Flasche als Behältnis in Ordnung lange lagern kann man das Bier darin allerdings nicht. Besser als der Wucher mit den Siphon-Flaschen in Deutschland aber, bei denen man nicht nur ein hohes Pfand bezahlen muss (was ich noch nachvollziehen könnte, auch wenn es manchmal schwierig ist, die Flaschen wieder abzugeben, weil man doch nicht so oft in die Provinz kommt), sondern sie manchmal sogar kaufen muss und dann so ein unhandliches Trumm im Keller stehen hat, ist es allemal. Nocht so eine Geldschneiderei…

Eine große Tasche mit Bier verstauen wir also sorgfältig im Kofferraum und freuen uns auf die kommenden Abende, an denen wir die leckeren Vraník-Biere verkosten werden.

Im Sommer 2014 ist die kleine Familienbrauerei Pivovar Vraník eröffnet worden und produziert seitdem auf dem 10 hl großen Zwei-Geräte-Sudwerk ein halbes Dutzend und mehr Biere. Keine exotischen Stile, aber leckere und sehr süffige Alltagsbiere für einen fairen Preis. Das Restaurant der kleinen Brauerei ist täglich von 11:00 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet, an den Wochenenden auch länger; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei mit dem Auto problemlos, man fährt einfach immer dem Flüsschen Trnavká nach, das dem Ort auch den Namen gegeben hat. Und wenn man alle Biere verkostet hat, dann übernachtet man einfach in einem der kleinen Gästezimmer im Haus. Vermutlich gibt es auch eine Busverbindung hierher, so etwa ein oder zwei Mal am Tag…

Bilder

Pivovar Vraník
Trnava 23
763 18 Trnava u Zlína
Tschechien

Brauerei Kundmüller und Fat Head’s Brewery brauen erstes fränkischamerikanisches Imperial IPA.

Zwei Länder. Zwei Braumeister. Ein Bier. Roland Kundmüller von der Brauerei Kundmüller aus Weiher bei Bamberg und Matthew Cole von der Fat Head’s Brewery in Cleveland, Ohio, USA haben sich zusammengeschlossen und im fränkischen Brauerei-Gasthof ein gemeinsames Bier gebraut: ein besonders hopfenbetontes Imperial IPA mit stolzer Bittere und 21,5 Prozent Stammwürze. „Kein Anfängerbier“, wie Roland Kundmüller betont.

Bereits mehrfach hatte Matthew Cole bei seinen Deutschland-Aufenthalten einen Stop im beschaulichen Weiher eingelegt. Die Auszeichnungen der Brauerei Kundmüller beim World Beer Cup und beim European Beer Star hatten die Aufmerksamkeit des amerikanischen Braumeister auf sich gezogen. 2015 machte er erneut einen Abstecher nach Weiher. Nach gutem fränkischen Essen und gemeinsamen Bieren probierten die Braumeister auch das Weiherer India Pale Ale – einen Bierstil, der aus Amerikas Craft Beer Kultur nicht mehr wegzudenken ist. Beide philosophierten zusammen mit Roland Kundmüllers Bruder und Biersommelier Oswald über verschiedenste IPA Interpretationen und die Entwicklung in der Braubranche. „Noch vor wenigen Jahren hat sich kaum eine traditionelle Brauerei in Deutschland an eine Biersorte wie ein India Pale Ale gewagt. Doch die Craft Bier Revolution in Amerika hat den Hopfenrausch auch zu uns gebracht“, so Oswald Kundmüller. Dass die Fat Head’s Brewery für ihre hopfenbetonten Biere bereits mehrfach wichtige Branchenpreise gewonnen hat, intensivierte die Gespräche nur. Am Ende des gemeinsamen Tages war klar: Wir brauen ein hopfiges Bier zusammen. Und dies wurde nun in die Tat umgesetzt.


Morgens um 7.30 Uhr starteten Cole und Kundmüller mit dem Einmaischen. Das Rezept für das Imperial IPA hatten beide zuvor im Detail via Mail abgesprochen. „Nachdem Matt mit seinem ‚Hop Juju‘ in diesem Jahr eine Goldmedaille beim härtesten Bierwettbewerb der Welt, dem World Beer Cup gewonnen hat, schlug er vor, eine fränkische Variante davon zu brauen. Die Idee fanden wir natürlich super, da es trotz gleichen Rezepts spannend ist, wie sehr sich die Biere letztlich gleichen oder unterschieden“, erklärt Roland Kundmüller. Die Hopfen hierfür hat Cole teils direkt aus Amerika mitgebracht. Bei der Hopfengabe hatten sich dann auch bereits mehrere Gäste, darunter auch die Bayerische Bierkönigin Sabine-Anna Ullrich hinzugesellt.

Mitte Januar wird das limitierte Weiherer / Fat Head’s Imperial IPA vorgestellt – gebraut mit klassischen und Karamellmalzen sowie den Hopfen Simcoe, Mosaic, Citra und Columbus.

Brauerei-Gasthof Kundmüller,
Weiher 13,
96191 Viereth-Trunstadt

(Quelle: Pressemitteilung der Brauerei Kundmüller, Foto: René Ruprecht).

Permanenter Link   Eingestellt von Gerhard Schoolmann @ 10:49

AGrill Beer House & BBQHà NộiVNM

„Geh’ in die kleine Brauerei Nhà hàng Bia Tiệp Trúc Viên“, hieß es in einer Empfehlung, die ich vor unserer Reise nach Hà Ná»™i per Internet bekommen habe. Die Adresse war angegeben, wir haben einen freien Abend, und selbst der Taxifahrer weiß auf Anhieb, wo er hinfahren soll. Na prima!

Auf geht’s also. Wir halten an der angegebenen Adresse, drücken dem Taxifahrer ein paar Zehntausender in die Hand, steigen aus, und er verschwindet. Und wir sehen uns um.

Nhà hàng Bia Tiệp Trúc Viên, Tschechisches Bier-Restaurant Trúc Viên ein vielversprechender Name, aber was hilft’s, wenn weit und breit nichts zu sehen ist. Wir gehen hundert Meter die Straße rauf, hundert Meter in der anderen Richtung wieder runter. Nichts!

Wir machen uns sogar die Mühe, die achtspurige Straße zu überqueren und auf der anderen Seite zu schauen. Ebenfalls nichts. Fehlinformation, offensichtlich.

Also kein Brauereibesuch heute. Frustriert stemme ich die Fäuste in die Hosentasche und maule: „Ich habe aber Hunger und Durst, und zum Suchen habe ich jetzt keine Lust mehr. Ich gehe jetzt in das Grill und BBQ direkt vor uns, esse da was, und dann fahren wir heim!“

Geduldig trottet meine holde Ehefrau hinter mir her die Treppe hoch. Wir betreten das AGrill Beer House & BBQ, und das erste, was uns auffällt, sind…

… die kupfernen Braukessel hinter der Theke.

Augen, groß wie Wagenräder.

Da haben wir also die ganze Zeit davorgestanden, und der Laden ist mittlerweile umbenannt worden. Das Sudwerk steht aber noch da. Ob es auch noch in Benutzung ist, oder ob die neuen Besitzer nur noch keine Zeit gefunden haben, es abzubauen?

Nachdem wir uns einen schönen Platz gesucht haben, kommt der Kellner, und ich deute auf die Kupferkessel: „Eigenes Bier?“

„Aber ja“, nickt er, und zeigt auf eine internationale Runde am Nachbartisch, die sich gerade am Karaoke übt. „Die trinken das alle!“

Und in der Tat: Große Krüge bernsteinfarbenen Biers werden geschwenkt, Herren und Damen aus verschiedenen Regionen Asiens und ein blonder Europäer haben schon glühende Wangen. Lauthals wird diskutiert, welches Lied als nächstes gesungen werden soll, dann werden die Smartphones gezückt und der Text geladen, und bevor der dissonante Gesang beginnt, bedeuten wir dem Kellner, der geduldig neben uns steht: „Jawohl, genau von diesem Zaubertrank hätten wir gerne je ein großes Glas!“

Goldgelb und leicht trüb steht das Bier vor uns. Stabiler, weißer Schaum, ganz leichter Diacetyl-Geruch. Grad wie daheim in Tschechien. Der erste Schluck. Weich und malzig. Dezent gehopft, mit leicht grasigen Noten. Relativ gering gespundet. Tja, in der Tat: Ein Bier wie in einer kleinen, tschechischen Landbrauerei, irgendwo im Nirgendwo zwischen Prag und Brünn in den Bergen. Lecker und süffig. Nichts Besonderes, aber ein Bier zum gerne auch in großen Schlucken zu sich nehmen.

Die Speisekarte ist leider ausschließlich in vietnamesischer Sprache, und auch die Englischkenntnisse des Kellners sind mehr als dürftig. Und so verbringe ich die nächsten drei Biere, denn das ist die Zeiteinheit, in der hier gemessen wird, damit, Onkel Google und Tante Cortana zu befragen und mich Schritt für Schritt durch die Gerichte zu arbeiten.

Heraus kommt eine Crossover-Bestellung. Pfeffersteak als internationales Gericht, Miso-Suppe mit Seetang, und eine Art Meeresfrüchte-Paella, oder ist es ein Risotto?, rundet alles ab. Dazu fließt das Bier.

Am Nachbartisch hangeln sich die Rotgesichter von einem Crescendo zum nächsten. Ab und an wankt ein freundlicher Japaner, Vietnamese oder Thai zu uns herüber, entschuldigt sich wortreich für den Lärm, nur um dann, unser freundliches Nicken als Freibrief interpretierend, den Zeiger auf der Dezibel-Skala noch ein wenig höher zu treiben.

Höllisch laut ist es, grauenvoll dissonant, aber lustig anzusehen, wie die Leute ihren Spaß haben.

Wir auch.

Ich nutze einen Moment und gehe zur Theke, um die Sudkessel, die eingezwängt in der Ecke ihr Dasein fristen, zu fotografieren, als einer der Sänger hinter mir herkommt und sich als Chef des Restaurants vorstellt. Er habe neulich erst übernommen, man sei quasi noch in der schleichenden Eröffnungsphase. Tuần Lá»… Soft Opening 06/12 16/12/2016 stand auch draußen auf einem Plakat, stimmt, das habe ich aus dem Augenwinkel gelesen gehabt. Die Woche der sanften Eröffnung.

Von sanft kann zwar angesichts des Schalldrucks keine Rede sein, aber gut zu wissen, dass wir hier zu den allerersten Gästen in dieser Phase zählen.

Und die Sänger, wenn wir sie denn mal als solche bezeichnen wollen, seien Freunde und Geschäftspartner, denn eigentlich sei die Firma, die hinter dem Projekt steht, eine Abfüllfirma, die sich auf PET-Flaschen spezialisiert hat. Und nun eben auch eine Brauerei nebst Restaurant besäße, heißt es weiter. Er erzählt freundlich und stolz, und nachdrücklich sagt er, wir müssten nächste Woche wiederkommen, denn dann gebe es auch das dunkle Bier und nicht nur eine Sorte. Obwohl, fügt er augenzwinkernd hinzu, wenn die Gäste so weiter tränken, dann gäbe es zwar das Dunkle, aber schon kein Helles mehr…

Und als wolle er auch ganz sicher sein, dass es so kommt, stürzt er sich wieder ins Getümmel, bestellt die nächste Runde für alle und stimmt, den inneren Widerspruch nicht mehr wirklich realisieren könnend, in höchster Lautstärke „Silent Night, Holy Night“ an. Alle stimmen ein, und das jetzt sogar mal ohne Text auf dem Smartphone-Bildschirm.

Wer hätte das gedacht? Nachdem wir gezahlt haben und vor das Restaurant getreten sind, empfinden wir den vorbeirauschenden Verkehr auf der achtspurigen Straße als angenehme Ruhe. Ah, wie gut das tut. Diese Stille!

Soft Opening. Soso!

Das AGrill Beer House & BBQ ist täglich ab mittags durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es gut mit dem Taxi, es liegt direkt an der Ausfallstraße in Richtung zum BigC Supermarket, den jeder kennt.

Bilder

AGrill Beer House & BBQ
40 Trần Duy Hưng
10000 Hà Nội
Vietnam

The WindmillHà NộiVNM

„Nee, oder?“ Wir schauen uns enttäuscht an. „Und deswegen sind wir zwanzig Minuten bei Staub und Hitze durch die schmutzigen Straßen und Gassen Hà Ná»™is gelaufen?“ Der Frust steht meiner holden Ehefrau ins Gesicht geschrieben.

Wir stehen vor einer schmutzigen Glasscheibe und schauen auf zwei kupferne Braukessel, die anscheinend schon ewig nicht mehr benutzt worden sind. Die wackelige Holztür, die in den Sudraum führt, hängt schief, ist aber fest verschlossen. Davor liegt Plunder herum; alles ist, wie überall in Vietnam, mit Mopeds zugeparkt.

Missmutig mache ich ein paar Bilder durch das dreckige Glas. Ich möchte wenigstens dokumentieren, dass ich es versucht habe, in The Windmill einzukehren, hier ein Bier zu trinken. Neugierig gehe ich noch ein paar Schritte in die Einfahrt nebenan, vielleicht kann ich noch ein paar Blicke auf alte Bierfässer oder so erhaschen. Vorsichtig taste ich mich zwischen den dicht an dicht stehenden Mopeds hindurch. Einen Moment nicht aufgepasst, und es riecht angesengt. Ruckzuck hat man sich am noch heißen Auspuff übel verbrannt fast alle kurzbehosten Touristen und Touristinnen, die sich mal auf ein Motorradtaxi gewagt haben, tragen ihre Brandwunden an der Innenseite der Schenkel wie Trophäen mit sich herum.

Noch zwei Schritte, und plötzlich stehe ich in einer anderen Welt. Umgeben von kräftig bunten, intensiv duftenden Lilien, unter Schatten spendenden Bäumen, der Lärm der Straße ist auf einmal ganz weit weg, dringt nur noch wie durch Watte an mein Ohr. So unwirklich, dass ich für einen Moment überlege, ob ich doch viel zu früh dahingeschieden bin und jetzt an der Pforte zum Paradies stehe.

Tu ich natürlich nicht, und vor mir steht auch nicht Petrus, sondern eine hübsche junge Dame, die mich fragend ankuckt: „Bia?“

Und schon bin ich wieder in der Realität angekommen, die aber meiner Vorstellung vom Paradies durchaus recht nahekommt. Ein idyllischer kleiner Blumengarten, eine hübsche Dame, die mir Bier anbietet.

„Zwei“, bedeute ich ihr und winke nach meiner holden Ehefrau, die noch unschlüssig und unzufrieden an der Straße steht.

Während sie langsam näher kommt, sehe ich ihr Erstaunen. Genau wie ich hätte sie hier alles erwartet, eine Motorradwerkstatt, einen Schwarzhandel, eine Müllkippe oder ein Bordell, aber nicht diesen netten Biergarten.

Und da bekommen wir auch schon das Bier in die Hand gedrückt. Frisch gezapft aus einem kleinen Tank, gebraut vor wenigen Tagen erst auf der gammelig wirkenden Anlage vorne im Schaufenster.

Kritisch beäugen wir die Gläser. Schön bernsteinfarben, ganz leicht und gleichmäßig opak, obenauf ein kremiger, weißer Schaum. Wir riechen vorsichtig, es duftet nach Malz und ganz leicht nach kräuterigem Hopfen. Der erste Schluck: Ein wunderbares, frisches Bier. Nur niedrig gespundet, dafür aber mit rundem Aroma. Weiche Malzigkeit, eine nur dezente Bittere, schön ausgewogen. Schnell noch einen zweiten, größeren Schluck. Ein richtig gutes Bier! Würde in Franken oder in Tschechien überall in der ersten Liga mithalten können.

Augenblicke später nur muss die junge Dame erneut zur Theke flitzen, Nachschub holen. Gar zu lecker ist das Bier, gar zu gut tut es nach dem Fußweg durch den Staub.

Wir sitzen inmitten der Blütenpracht der Lilien, in dieser kleinen Oase und laben uns an ausgezeichnetem Bier. Das Beste, was wir bisher in Hà Ná»™i bekommen haben. Am Nachbartisch denken das auch ein paar einheimische Geschäftsleute. Immer wieder flitzt die Kellnerin und holt Nachschub, und mit jeder Runde Bier, die sie heranträgt, steigt der Lärmpegel. Gelächter, lautes Geschrei, Gläserklirren. Man könnte meinen, es sei eine ganze Horde von Hunnen hier eingefallen, dabei sind es einfach nur sieben Vietnamesen mit großem Durst.

Von Idylle kann nun keine Rede mehr sein.

Die Dunkelheit ist hereingebrochen, und wir machen uns langsam wieder auf den Weg. Ein Blick zurück in die Einfahrt: Jetzt, romantisch erleuchtet, sieht der schmale Weg viel einladender aus als bei Tageslicht, und fröhliches Gelächter und klirrende Gläser weisen auch akustisch den Weg. Das schmutzige Schaufenster ist erleuchtet, das Sudwerk nun besser sichtbar. Schöner wird es davon nicht, aber man kann nun erkennen, dass es doch genutzt wird. Und was für ein Bier, das hier produziert wird. Hut ab!

Langsam laufen wir die Gasse entlang in Richtung Hauptstraße, und hinter uns grüßt nun auch hell erleuchtet die kleine Windmühle an der Gebäudefront, die der Brauerei ihren Namen gibt: The Windmill.

The Windmill ist täglich durchgehend ab dem späten Vormittag geöffnet. Oder wenn gerade jemand da ist. Gelegentlich, wenn zu viel getrunken worden ist, geht das Bier auch mal aus, dann hat man Pech gehabt und muss auf den nächsten Sud ein paar Tage warten. Zu erreichen ist die kleine Brauerei in etwa einer halben Stunde Fußweg vom See Hoàn Kiếm in südwestlicher Richtung. Origineller ist die Fahrt mit dem überfüllten, chaotischen Linienbus Nummer 49 für 7000 Đồng, etwa 30 Cent. Fährt man mit dem Motorradtaxi, sollte man vorher wissen, auf was man sich einlässt nicht nur auf Brandblasen an der Innenseite der Schenkel…

Bilder

The Windmill
31 Đặng Trần Cồn
Đống Đa
10000 Hà Nội
Vietnam