DIE OETTINGER-SKALA
In Anlehnung an unsere Initiative für einen Bierpreis, der langfristig einen angemessenen Ertrag für Herstellung und Vertrieb gewährleistet, wollen wir in Zukunft eine sog. OETTINGER-SKALA etablieren. Die Skala ist nach der inzwischen größten deutschen Biermarke Oettinger benannt, die sich offen dazu bekennt sich alleine über den Preis zu profilieren und sich dadurch die entsprechenden Marktanteile erarbeitet hat. Während sich diese Preisstrategie wohl vornehmlich gegen ebenbürtige große Konkurrenten wendet, fördert ein dauerhaft niedriger Preis einen Verfall des qualitativen Ansehens des Bieres bei Verbrauchern und ein fortwährendes Sterben speziell unter den mittelständischen, regionalagierenden und flaschenproduzierenden Brauereien.
Die OETTINGER-SKALA soll eine vereinfachte Einordnung eines Bierpreises gemessen an einem existierenden Basispreis ermöglichen.
Als Basispreis wird dabei der regelmäßig vorkommende Aktionspreis von 4,99/5,00 Euro für ein 10-Liter-Mehrweg-Kasten Oettinger-Vollbier (z.B. Pilsener) festgesetzt. Dieser entspricht dann einer „1“ auf der Skala. Ein Preis von 10 Euro entspricht dann einer „2“ usw.
Nach der unten bereits erfolgten Rechnung liegt der für eine Brauerei notwendige Kostendeckungsbeitrag bei 8,60 Euro netto für einen 10-Liter-Kasten, hierin sind keine Mehrwertsteuer und keine Vertriebskosten des Handels enthalten. Der Einfachheit halber kann man somit einen dauerhaften Preis von 5 Euro / Kasten (also 1 auf der OETTINGER-SKALA) damit gleichsetzen, dass schätzungsweise 99% der Brauereien bei einem solchen Preisniveau in Zukunft nicht mehr existieren werden. Bei einem Preis von 10 Euro werden möglicherweise bis zu 50% der Brauereien in Deutschland nicht überleben können (auf der Skala somit die 2). Wir raten jedem Verbraucher somit von Bieren, die unter einer Wert von 2 liegen, die Finger zu lassen, damit wir Verbraucher auch in Zukunft noch eine Auswahl haben.
WIE LANGE IST EIN BIER HALTBAR?
Fachbücher zum Thema Haltbarkeit beim Bier unterscheiden den Zustand des Getränks vornehmlich in verschiedene Formen der Geniessbarkeit. Bei sachgerechter Aufbewahrung (z.B. bei Schutz vor Licht und größeren Temparaturschwankungen) ist selbst ein Durchschnittsbier in der Lage recht lange schmackhaft zu sein. Das Bier verhällt sich dabei tendentiell so wie sich auch ein Wein mit Reife verhalten würde, wobei die mehr oder minder ausgeprägte Oxidation das jeweilige Getränk über Jahre hinweg prägt. Mit der Zeit mindert sich z.B. beim Wein die Empfindung der Ausgangsfrucht, Säure und Süsse tendieren dazu harmonischer zu werden. Wie hinlänglich bekannt, existiert bei Wein kein MHD.
Während die Hersteller großer deutscher Pilsner-Marken zu einem recht kurzem MHD von sechs Monaten tendieren, können Biere speziell unseres Nachbarlandes Belgien erheblich „haltbarer“ sein.
Hier ein Bestandsaufnahme eines Kühlschranks im August 2011:
Liefmans Fruitesse (Liefmans – B), 4,2%, 250 ml, MHD 12 / 2012
Grisette Fruit des Bois (St. Feuillien – B), 3,5%, 250 ml, MHD 16.5.2012
Apple Bocq (Brasserie du Bocq – B), 3,1%, 250 ml, MHD 29.7.2012
Blanche de Namur (Brasserie du Bocq – B), 4,5%, 250 ml, MHD 28.1.2013
Hoegaarden Rosée (Anheuser Busch InBev – B), 3,0%, 250 ml Dose, MHD 11.5.2012
Super des Fagnes (Brasserei de Fagnes – B), 4,8%, 250 ml, 10.12.2012
Trappist Rochefort 6 Grad, 7,5%, 33cl, 13.4.2016
Trappist Rochefort 8 Grad, 9,2%, 33cl, 15.6.2016
Triple Porter (Pott’s – Oelde, D), 9,8%, 660ml, „best before“ June 2014.
Alle belgische Biere sind in einem durchschnittlichen belgischen Supermarkt gekauft worden. Wie man schnell erkennt sind selbst die vielen „Saisonalprodukte“ mit einem vergleichsweise langem MHD ausgestattet, egal ob es eine kleinere oder die weltgrößte Brauerei ist.
Die Festlegung eines MHD bei Bier liegt weitestgehend im Ermessen der Brauerei, Die großen deutschen Brauereien werden ihre MHD wahrscheinlich so festlegen, dass der Handel animiert wird die Ware so schnell wie möglich zu verkaufen, was nur über eine knappe Kalkulation oder regelmäßige „Veraktionierung“ möglich ist. Im deutschen Biermarkt, der strukturell zum Schrumpfen neigt, haben solche Aktionen etwas „Panisches“ und werden letztendlich wieder nur dazu führen, dass weitere Brauereien, die diesen Kreislauf nicht unterstützen wollen oder können, ihren Betrieb einstellen.
Ein längeres MHD –
a. mildert den Margendruck
b. fördert Vielfalt im Handel
c. sichert das Ãœberleben kleiner und mittlerer Brauereien
DUMPING BEI BIER
Am 24.7.2009 vermeldete die „Bild“-Zeitung auf Seite 1 ein zweifelhaftes Angebot für 4 Euro pro 10 Liter MW-Kasten des Discounters „Netto“. Die Meldung bezog sich auf die Marke „Meisterbräu“ ein Markenname wohl aus Zeiten, als generische Produktbezeichnungen irgendwie „in“ waren. Das deutsche Patentamt weist die Marke dem Freiberger Brauhaus in Sachsen zu (die Miller Brewing Co., die in den U.S.A. unter diesem Namen ein wenig deutsche Heimat in die Haushalte bringt, erscheint mit dieser Marke übrigens auch im deutschen Markenregister).
Willkommener Anlass sich über Bier als Rammschobjekt zu unterhalten:
Nehmen wir den Grundpreis von 4 Euro für eine 10 Liter-Kiste. Das macht ohne Mehrwertsteuer 3,36 Euro. Auf Bier lastet, wie wohl bekannt, eine Biersteuer. Diese ergibt bei 0,787 Euro pro Grad Plato auf 1 HL in diesem Fall ca. 94 ct. für 10 Liter (Vollbiere mit den üblichen 4,8 % Alk. haben in der Regel 12 Grad Plato). Das ergibt einen Netto-Netto-Warenwert von 2,42 Euro oder 12,1 ct. für eine Halb-Liter-Flasche.
Abwärts-Kalkulationen nach diesem Punkt sind sicherlich ein gut gehütetes Geheimnis einer jeden Brauerei, allerdings müssen diese 12 ct. für alle Kosten vom Halm bis zum Hals herhalten, sprich Zutaten, Verarbeitung, Verpackung, Transport, Vertrieb und (nicht vergessen) Rücktransport, da wir hier ja von MW-Gebinden sprechen.
Nach eigenen Recherchen kommen wir alleine bei den Herstellungskosten (wohl bemerkt in einer Kleinbrauerei) auf ca. 14 ct. pro halben hergestellten (noch nicht abgefüllten) und unversteuerten Liter. Egon Bojkow veröffentlichte in seinem Buch „Getränkeverpackung und Umwelt“ (1989) Systemkosten (ohne Transport) für eine 0,5 Ltr. MW-Flasche zwischen 7,60 und 11,65 ct. und nach eigener Schätzung liegen die Transportkosten bei einer entsprechenden Flasche bei ca. 10 ct.
Selbst bei aller Effizienz, die die erwähnten Zahlen relativieren könnten, ist das Angebot von „Netto“ entweder Zauberei oder Dumping.
Jedes Billig-Angebot, egal für welches Produkt, schadet auch zwangsläufig der Wertschätzung für alle Produkte in einer Produktgruppe, somit wird auch das Ansehen von Bier als Qualitätsprodukt unweigerlich durch eine solche Rammscherei beschädigt und führt zu einer Vereinheitlichung des Produkts auf den billigsten gemeinsamen Nenner.
Ach ja, es geht übrigens noch billiger: Ebenfalls „Netto“ bot in einer Werbung vom 27. Juli 2009 deren Eigenmarke „Grafensteiner“ zu 3,77 Euro für einen 10 Liter-Kasten.
SPIEGEL-Artikel vom Januar 2010
BIER DES MONATS
Eine Initiative für mehr Vielfalt in der Gastronomie: Viele Gaststätten sind hierzulande „gebunden“, d.h. genauer in irgendeiner Weise unmittelbar an eine Brauerei oder mittelbar über einen Getränkegroßhändler finanziell vertraglich gebunden. Da das Gaststättengewerbe als „flukturierend“ gilt, sind Banken häufig nicht gewillt, Gaststätten in dem Maße zu finanzieren, wie es notwendig wäre.
Häufig springen Brauereien mit Krediten ein und lassen die Kredite durch feste Lieferverträge bedienen.
Dies ist eine Einschränkung des freien und fairen Handels und begünstigt größere finanzstarke Brauereien gegenüber kleineren.
In Anlehnung an die CAMRA-Inititiative „Guest Beer“ (s. www.camra.org.uk) fordert die Kampagne für Gutes Bier e.V. ein kollegialeres Miteinander der deutschen Brauereien durch die Aktion „Bier des Monats“ in der Gastronomie. Ein Bier des Monats ermöglicht mehr Vielfalt für den Verbraucher und erhöht die Chancen aller Brauereien ihr Bier auch anderen Kunden anzubieten.
WER WILL MICH
Kampagne für gutes Bier e.V. unterstützt im Kern den Erhalt und die Förderung der Biervielfalt in Deutschland. Eine Vielzahl von Büchern und WebSites über Brauereigeschichte in Deutschland dokumentieren eine lebhafte Entwicklung. Wir werden im Jahr 2040 mit dem Jubiläum der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan auf 1000 Jahre kommerzielles Brauwesen in Deutschland zurücksehen und um einen kleinen Beitrag in Richtung dieser Feier zu leisten, wollen wir mit unserer Aktion „Wer will mich?“ auf die vielen geschlossenen und übernommenen Brauereien und somit in der Regel verschollenen Biermarken und -sorten aufmerksam machen. Selbst in der jüngeren Vergangenheit seit dem 2. Weltkrieg sind viele Biermarken eingestellt worden. Viele Marken sind gut recherchiert und dokumentiert und die vorhandenen Quellen bieten einiges an Inspiration, um vielleicht die eine oder andere Biermarke wieder auferstehen zu lassen.
Weitere Recherchemöglichkeiten finden Sie unter:
www.kgbrauereien.org
Unsere Brauereirecherche bestehender und geschlossener Brauereien
www.bierdeckelsammler.net
Die sicherlich umfassendste webbasierende Sammlung von Bierdeckeln mit Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Brauereien
Markenregister des deutschen Patentamts
Marken, selbst wenn sie sich nicht mehr im Handel befinden, können weiterhin einen Eigentümer haben.
Bitte informieren Sie sich umfassend im Internet, sowie unter dem hier angegebenen Markenregister des Deutschen Patentamts.
RETTET DIE ECKKNEIPE!
Die Eckkneipe ist das deutsche Pendant zum englischen Pub. Die Eckkneipe hat traditionell die wichtige Funktion Gemeinschaft zu pflegen und gesellschaftlichen Austausch zu ermöglichen.
Zeitgemäßte Ausgehmöglichkeiten sind eher von vielfältigsten Restaurants und aktuell von der Cafékultur geprägt. Auch Gasthausbrauereien sind hervorragende Beispiele für die Wiederbelebung des deutschen Wirtshauses. Ãœberlebende Vertreter der Eckkneipe profilieren sich z.B. durch den Charme antiquarischer Originaleinrichtungen, einem „renoviertem“ Getränkeangebot und verhaltenem Speiseangebot, was den Charakter als Trinkgenussstätte aber erhält.
Während sich Brauereien stets neu fragen in welches gastronomische Objekt sie am besten mit ihren Produkten passen, sollte sich die zeitgemäße Form der Eckkneipe fragen, speziell welche Biere in deren Ambiente passen.
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