Lissabon die Stadt der sieben Hügel. Der ewigen Stadt Rom gleich, begrüßt Lissabon die vom Wasser kommenden Besucher mit einer Silhouette von sieben Hügeln, malerisch am Ufer des Tejo gelegen. Einen nach dem anderen haben wir erklommen, uns die Stadt in den letzten Tagen erwandert, bis wir heute auch den letzten, den achten, den Colina da Graça erreicht haben und vor dem Tor zur kleinen Brauerei Oitava Colina stehen, der Brauerei zum achten Hügel.
Wie jetzt? Sieben? Acht? Da kann doch irgendetwas nicht stimmen!
Lachend begrüßt uns Sérgio Romão, der Manager der Brauerei Oitava Colina, und klärt uns über die wunderliche Zählweise auf. Es sei schon über dreihundert Jahre her, dass Frei Nicolau de Oliveira Lissabon mit Rom, dieser doch eigentlich unvergleichlichen Stadt, verglichen und dann ebenfalls als Stadt der sieben Hügel bezeichnet habe. Dabei sei ihm aber, absichtlich oder nicht sei dahingestellt, ein Fehler unterlaufen, denn so schön es auch sei, vom Wasser aus sieben Hügel zu zählen, so gebe es doch deren acht. Nur leider sei vom Wasser aus der achte Hügel, der Graça-Hügel, oder auf Portugiesisch Colina da Graça, nicht zu sehen, er werde vom Schlosshügel, auf dem das Castelo de São Jorge steht, verdeckt.
Ehrensache sei es also, als Bewohner des Stadtteils Graça auf diesen historischen Fehler hinzuweisen, und so habe der Name der Brauerei von Anfang an festgestanden: Oitava Colina, der achte Hügel.
Gerade einmal zwei Jahre besteht die Brauerei Oitava Colina, hat im Januar 2015 erst begonnen, zu brauen, aber sie hat sich in dieser kurzen Zeit in Lissabon schon einen Namen gemacht. Viele Bars und Cafés bieten die Colina-Biere an: Das Zé Arnaldo, ein kräftiges Porter, das Florinda, ein helles, süffiges Lager, das Urraca Vendaval, ein würziges, hopfiges India Pale Ale, und seit neuestem auch das Joe da Silva, ein aromatisches American Pale Ale.
„Wir haben es gar nicht so richtig realisiert, aber als ich neulich mal Bilanz gezogen habe, habe ich festgestellt, dass wir seit Bestehen schon 100.000 Liter Bier gebraut haben!“ Fast unbemerkt hat sich Brauer Fernando zu uns gesellt, berichtet stolz von den ersten 1000 Hektolitern und zeigt uns dann die Brauerei in allen Details.
Dreh- und Angelpunkt ist das mit Dampf beheizte 5-hl-Sudwerk, das direkt hinter dem Tor steht. Blitzblank poliert steht es bereit für den nächsten Sud. „Ein Sondersud wird es werden, ein Winterbier“, erzählt Fernando. „Kräftig und dunkel, mit 8,5% Alkohol, und wir werden Vanille und Kakao hinzugeben. Und extra für dieses besondere Bier haben wir uns auch größere Flaschen besorgt 660 ml, statt 330. Da zeigt dann schon die Flaschengröße, dass es ein besonderes Bier ist!“
Noch ist nicht viel zu sehen oder zu riechen, Fernando hat gerade erst mit den Brauvorbereitungen begonnen. Er zeigt uns zunächst noch den Rest der Brauerei. Neun Gär- und Lagertanks stehen hier, mit jeweils 10 oder 15 Hektolitern, das heißt, für Doppel- oder Dreifachsude. „Wenn ich drei Sude hintereinander machen muss, um einen der großen Tanks zu füllen, dann dauert mein Arbeitstag schon mal 14 Stunden. Hier habe ich einen einfachen Tank als Puffer, und dann kann ich die drei Sude überlappend fahren, das spart ein wenig Zeit.“
Sérgio und Fernando erzählen noch viele Details aus dem Brauprozess, aber auch die eine oder andere kleine Anekdote ist dabei. Von der Anlieferung der Brauerei und der Gärtanks beispielsweise, als der Spediteur sich geweigert hatte, das Sudwerk durch die engen Straßen Graças anzuliefern. Bis zum Hafen, keinen Meter weiter, hieß es. Und so mussten alle Teile auf einen kleinen Lieferwagen umgeladen und dann durch die steile und schmale Gasse in die noch schmalere und noch steilere Einfahrt bugsiert werden. Irgendwann stand das Sudwerk dann aber doch, nach fast einem Dutzend Pendelfahrten mit dem kleinen Transporter.
Anekdote Nummer zwei folgte aber sofort: Kaum war alles fertig aufgebaut, stellte man fest, dass die Anlage etwa zehn Zentimeter falsch stand und die Anschlüsse nicht passten. Die Praxis zeigte: Wenn man acht kräftige Männer zur Hand hat, kann man das ganze Sudwerk tatsächlich anheben und ein Stückchen versetzen. War alles also gar nicht so schlimm, und mittlerweile, nach über 200 Suden, läuft alles ganz routiniert ab.
Ab und an würde Fernando auch Auftragssude für andere ansetzen, erzählt Sérgio noch, aber in letzter Zeit sei die Kapazität dafür fast nicht mehr da. Zu Beginn sei es eine gute Methode gewesen, die Gär- und Lagertanks auszulasten und nicht leer herumstehen zu haben, aber mittlerweile sähe es umgekehrt aus für Auftragssude sei kaum noch Raum. Es sei fast schon schwierig, neben den vier Standard-Bieren noch mal ab und zu etwas eigenes Besonderes zu produzieren.
Und in der Tat: Viel Zeit haben Sérgio und Fernando nicht mehr für uns. Wir dürfen noch ein frisch gezwickeltes Pale Ale mit Sorachi Ace und Amarillo Hopfen probieren, und dann wird es Zeit, nicht mehr im Wege zu stehen. Der Sondersud wartet, und parallel dazu muss fleißig Bier auf Flaschen gezogen werden, denn sonst ist für das Winterbier gar kein freier Tank da…
Langsam wandern wir den achten Hügel wieder hinab, rechts von uns der Schlosshügel. Der, der Schuld daran ist, dass man den achten Hügel vom Wasser aus nicht sehen kann. Aber man findet ihn ja zum Glück mittlerweile in allen guten Cervejarias den achten Hügel, den Oitava Colina.
Die Brauerei Oitava Colina ist ein reiner Produktionsbetrieb, (noch) ohne eigenen Ausschank. Nach Absprache werden aber Brauereibesichtigungen mit Verkostung für Gruppen bis zu 15 Personen angeboten. Zu erreichen ist die Brauerei entweder zu Fuß, ein anstrengender, aber schöner Spaziergang durch die winzigen Gässchen der Altstadt, oder man nimmt die historische Straßenbahn 28E (wenn man in ihr denn einen Platz findet) und steigt am Largo Graça aus, dann sind es nur etwa 150 m Fußweg.
Oitava Colina
Travessa da Pereira nº16 A
Arm. 5
1170-313 Lisboa
Portugal