Ein ganz neues Konzept soll es werden. Ich stehe in dem alten Ziegelgebäude der Mission St. Gabriel und staune. Heute in einer Woche wird hier die große Eröffnungsfeier der Hopfenartisten starten, einer kleinen Initiative, die mehr ist als nur „just another craft brewery“.
Rainer Mraz und Günther Thömmes strahlen mich stolz an, als sie mich begrüßen, aber machen zunächst noch ein großes Geheimnis um ihre neue Idee. „Setz Dich da mal hin, hier hast Du ein Bier, und lass mich mal eben noch schlauchen. Vorher kommst Du mir nicht ins Sudhaus!“, sagt Günther. Widerrede zwecklos. Hm, so geheimnisvoll kenne ich ihn doch gar nicht?
Aber mir bleibt nichts Anderes übrig. Zusammen mit Rainer verkoste ich das für die Eröffnungsfeier eingebraute Eröffnungs-Pale-Ale, ein kräftig malziges Bier, schöne kupferne Farbe und eine dezente, aber originelle Hopfennase. Statt der üblichen Grapefruit- und Maracuja-Aromen rieche ich ein wenig Heu und Gras. „Ist mit Perle gebraut, und mit nur ein bisschen Cascade und Simcoe. Und nicht gestopft!“, klärt mich Günther auf, während er mit Stefan, einem Gerade-Noch-Hobbybrauer (oder doch schon Craftbrauer-Novize?), zwei Gärfässer in KEGs umschlaucht.
Satte hundert Liter fassen die Gärfässer, und die großen KEGs ebenfalls. „Wir machen nur kleine Sude, dafür aber ganz viele“, heißt es, während das hefetrübe Jungbier in die KEGs plätschert. „Und die KEGs sind dann unsere Lagertanks“, fährt Günther fort. „Billiger, praktischer, flexibler als große Tanks!“
Geduldig sehe ich zu, wie die beiden KEGs gefüllt und mit einem großen Werkzeug verschlossen werden. Schon landet das erste auf einer Sackkarre. „Auf geht’s, zum Kühlraum“, kommandiert Günther und saust los, raus aus der Brauerei, am Gebäude entlang, die nächste Tordurchfahrt hinein. Im Innenhof erwarten uns zwei große Kühlcontainer. Nach Jahren auf See (oder war es nur der Bofrost- oder Eismann-Lieferwagen?) haben sie hier ihren Platz gefunden. Das dicke Vorhängeschloss wird abgebaut, die Tür geöffnet, und vor mir stehen zwei Dutzend KEGs, in denen die ersten Sude langsam vor sich hin reifen. Spundapparate und Schläuche bringen ein wenig Durcheinander in die ansonsten kerzengerade ausgerichteten Fässer.
Günther prüft den Spundungsdruck, und dann geht es zurück in die Brauerei. „So, und jetzt darfst Du auch ins Sudhaus.“ Aha, das Geheimnis wird gelüftet. Drei geradezu winzige Maischebottiche stehen an der Wand, rechts daneben ein Läuterbottich, links daneben ein Heißwassertank, der die Maischebottiche über ein ausgeklügeltes Rohrsystem erhitzt. „Drei Sude können wir hier fast parallel, nur leicht zeitlich gegeneinander versetzt, fahren“, sagt Günther. Links, an der anderen Wand, stehen drei Würzepfannen auf elektrischen Kochplatten mit 6 kW Leistung, noch weiter links ein kleiner aber hoch-effizienter Plattenkühler.
„Die Idee ist, hier immer wieder neue, kleine Sude zu produzieren. Wir haben dann eine viel bessere Kontrolle, können flexibel auf die Nachfrage reagieren, und wenn mal ein bestimmtes Bier nicht so gut ankommen sollte, was ich aber nicht glaube, dann kann man es zur Not fast alleine austrinken, bevor es schlecht wird“, erklärt Günther und fügt hinzu: „Und wir können Haus- und Hobbybrauer einladen, hier mal ihre Sude zu fahren, so wie Stefan das vorgestern gemacht hat. Und Braukurse gehen auf einer solchen Anlage auch ganz hervorragend.“
Ein richtiges Biererlebniszentrum also, wirklich ein etwas anderes, neues Konzept. Seit vor zwei Wochen die Kessel das erste Mal richtig angeheizt worden sind, wurden bereits 33 Sude gefahren.
Ich stehe vor dem schmucken Flaschenfüller der Braumanufaktur Werk II von Frank Hinkelmann. Sehen topp aus. „Sind auch topp“, heißt es, „wir müssen nur noch ein bisschen an der Feinjustierung arbeiten!“
„So, und warum durfte ich vorhin nicht ins Sudhaus?“ frage ich jetzt doch hartnäckig. „Hast Du mal in die Pfannen gekuckt?“, kommt eine Gegenfrage. Nein, habe ich natürlich noch nicht, und Günther öffnet mit einem vielsagenden Grinsen den Deckel. Lactos und Bretts, also Milchsäurebakterien und wilde Hefen vom Typ Brettanomyces gären hier gerade vor sich hin. Lauwarme Bierwürze, geimpft mit einem ordentlichen Starter, ein ganzes Wochenende Zeit, und am Montag erst wird die Würze gekocht. Bis dahin soll sie einen leicht säuerlichen und kräftig aromatischen Geschmack bekommen haben Grundlage für ein lambik-artiges Bier. „Nach dem Kochen ist wieder alles steril, aber bis dahin möchte ich, dass die Bakterien und Hefen schön brav hier im Sudhaus bleiben und nicht beim Schlauchen vielleicht das eine oder andere KEG unbeabsichtigt infizieren. Besonders mit den Bretts ist da nicht zu spaßen“, sagt Günther und schließt den Kunststoffvorhang zum Sudhaus sorgfältig hinter uns.
Eine kleine Ausschanktheke kommt noch hinzu, dann ist die Idee von Rainer umgesetzt. Die Europaletten, die dafür als Bausteine dienen, sind noch nicht endgültig verschraubt, aber es ist ja auch noch eine Woche hin bis zur Eröffnung. Aber der Kühlschrank steht schon da und ist bestückt. Eine Quittengose aus eben diesem Kühlschrank gibt es jetzt zu verkosten, eine Gemeinschaftsproduktion von Günther Thömmes, dem ehemaligen Bierzauberer, und Daniel Hertl von der Braumanufaktur Hertl in Franken. Leicht säuerlich, fruchtig-frisch und spritzig ein schönes Sommerbier. Mir schmeckt’s ganz hervorragend.
Rainer Mraz, der die Idee zum Projekt Beerstarter hatte, und Günther Thömmes, der seine Bierzauberei und sein Wanderbrauen just in dem Moment an den Nagel hängen wollte, als Rainer einen erfahrenen Braumeister suchte, sehen optimistisch in die Zukunft. Die Reaktionen auf Rainers Projekt waren bisher durchweg positiv, und nach dem hoffentlich rauschenden Eröffnungsfest wird dann schnell der Wirkbetrieb aufgenommen.
Auf der Website Beer Starter GmbH kann man sich über den Projektfortschritt informieren, seine eigenen Rezepturen entwickeln, einreichen und mit Günthers fachkundiger Hilfe realisieren. Eine Brauerei zum Mitmachen, zum Sich-Einmieten, zum Kooperieren und für Collaborations-, Experimental- oder einfach nur Hobbysude. Spannend!
Die Hopfenartisten Beerstarter GmbH eröffnet am 16. Juli 2016. Rampenverkauf, Verkostung, Ausschank werden anschließend regulär begonnen; ebenso Braukurse, Kooperationen und dergleichen. Auskunft über die aktuellen Aktivitäten gibt die Website des Projekts. Zu erreichen ist die Mission St. Gabriel, in der die Hopfenartisten untergekommen sind, bequem mit der S-Bahn in zwanzig Minuten vom Wiener Hauptbahnhof zehn Minuten Fußweg sind es dann noch. Aber Obacht: Der Eingang ins Gewerbegelände ist hinten, nicht vorne an der Kirche.
Hopfenartisten Beerstarter GmbH
Grenzgasse 111
Block7/EG/2
2340 Mödling
Österreich