Fährt der Bierliebhaber kreuz und quer durch das Weinviertel nördlich von Wien, so kann ihn schon das eine oder andere Mal der Frust packen. Nicht unverdienterweise, wie meine Ehefrau mir spitz erläutern würde. Denn wer als Bierliebhaber einen Ausflug ins Weinviertel mache, der habe es nicht anders verdient, würde sie feststellen und mich frech angrinsen. Weingüter, Weindörfer, Weinberge überall, in jedem Dörfchen, an jeder Hofeinfahrt große Hinweisschilder und gefühlt tausende Möglichkeiten, Weiß-, Rosé- oder Rotwein zu verkosten. Aber bei 35° Außentemperatur steht der Sinn eher nach einem kühlen Bier.
Dass nun aber auch noch eine gewaltige Zwiebelskulptur uns in der Mitte eines Kreisverkehrs begrüßt, ein Aroma, dass nun gar nichts im Bier zu suchen hätte, erscheint ja schon fast als Ironie in der Situation, genauso, wie die Plakate, die auf das große Zwiebelfest im Sommer hinweisen und herzlich dazu einladen.
Nein, ich möchte ein frisches, süffiges Bier mit einem feinen Aroma!
Aroma? „Unterstinkenbrunn“ steht gehässiger Weise auf dem nächsten Ortsschild geschrieben irgendjemand scheint ein böses Spiel mit mir treiben zu wollen.
Tapfer halte ich durch, und schließlich wird die Hartnäckigkeit doch belohnt: In Ernstbrunn rollen wir auf den Marktplatz und sehen den Landgasthof Adlerbräu. „Adlerbräu Zwickel Hausbier naturtrübes Kellerbier mit reduzierter Kohlensäure“, heißt es. Für uns das Zeichen, direkt in den Biergarten zu eilen, oder den Schanigarten, wie er hier heißt. Und nur wenige Sekunden später steht das erstaunlich trübe Hausbier vor mir.
Herrlich, bei dieser Hitze. Wenn auch, soviel Objektivität muss sein, keine wirkliche Offenbarung. Süffig zwar, aber auch ein wenig süßlich und, nun ja, ein wenig langweilig. Ein bisschen mehr Hopfen hätte vielleicht nicht geschadet, und auch das Versprechen der reduzierten Kohlensäure scheint ein wenig unglaubwürdig hätte ich es nicht genauso in der Getränkekarte gelesen, hätte ich das Bier, im Gegenteil, eher für etwas überspundet gehalten.
Aber egal. Es zischt. Manchmal, und speziell in dieser Hitze (es ist der 13. Juni 2015 wir haben noch nicht einmal Sommeranfang…) muss es zischen. Einfach nur so.
Die freundlichen Kellnerinnen servieren uns Eierschwammerln in unterschiedlichen Formen, gebraten, mitgekocht, auf Salat. Lecker. Ach ja, und ein Einschub für die nicht-österreichischen Leser: Eierschwammerln sind Pfifferlinge, oder auf bayerisch, wie ich mich belehren lassen musste, Reherl.
Zischbier, leckeres und nicht zu schweres Essen im schattigen Biergarten, vor einer uralten, von Wein, Efeu und sonstigen Pflanzen überwucherten Mauer g’rad schön ist’s.
Aber wo wird das Adlerbräu (es gibt nur diese eine Sorte des Hausbiers) denn wirklich gebraut? „Der kleine Kupferkessel im Eingangsbereich des Gasthofs ist nur Dekoration, darauf kann gar nicht gebraut werden“, lacht auch die Kellnerin. Aber wo die wirklichen Braukessel stehen, daraus macht sie ein Geheimnis. „Ein bisschen außerhalb“, so viel verrät sie.
Seltsame Geheimnistuerei, die mich natürlich motiviert, ein wenig zu recherchieren, und wenn man den Quellen im Internet Glauben schenken darf, dann wurde hier zwar vor rund zehn Jahren noch im Haus selber gebraut, auf einer kleinen, selbstkonstruierten Anlage, die aber mittlerweile nicht mehr in Betrieb ist. Stattdessen entpuppt sich das Zwickel als ein ungefiltertes Bier einer Großbrauerei.
Aha. Das ist also mit außerhalb gemeint.
Der Landgasthof Adlerbräu ist täglich ab 10:00 Uhr durchgehend bis abends geöffnet, sonn- und feiertags nur bis 15:00 Uhr. Montags ist Ruhetag. Gebührenfreie Parkplätze gibt es direkt vor dem Gasthof auf dem alten Marktplatz reichlich. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist beschwerlich; die Bahnlinie wird nur noch als Nostalgiestrecke im Sommer befahren, mit dem Bus ist es umständlich, aber machbar.
Landgasthof Adlerbräu
Marktplatz 2
2115 Ernstbrunn
Österreich