Als Flugreisender liest man ja viel und kann dies dann häufig auch am eigenen Leib verifizieren. Beispielsweise liest man von den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien, denen zufolge sich die Geschmackswahrnehmung des Menschen in großer Höhe drastisch verändert, so dass Speisen, die an Bord von Flugzeugen serviert werden, völlig anders gewürzt werden, gewürzt werden müssen, als Speisen, die in einem ganz normalen Restaurant angeboten werden sollen.
Die Stadl-Bräu im Hotel Thaneller im Berwanger Ortsteil Rinnen behauptet von sich selbst, die höchstgelegene Gasthausbrauerei Österreichs zu sein, und da stellt sich mir natürlich sofort die Frage, ob darin der Grund liegen könnte, dass die Biere, die ich hier am 7. Mai 2015 vor Ort verkostet habe, so geschmeckt haben, wie sie geschmeckt haben? Nachdenklich schaue ich auf die Speisekarte, auf der die Behauptung auch noch einmal schriftlich festgehalten ist: „Höchstgelegene Gasthaus-Brauerei Österreichs“ steht dort. Aber es steht dort auch „1285 m“, und das ist vielleicht doch etwas weniger als die dem im Inneren eines Flugzeugs herrschenden Druck entsprechende Höhe. Daran kann es vielleicht doch nicht liegen, dass mir die Biere allesamt ein wenig zu süß vorkommen.
Ein Gespräch mit dem Brauer später klärt mich auf: Also, erstens, so meint er, sei man hier in den alpinen Regionen doch eher den malzigen, süßlichen Bieren zugeneigt, eine stärkere Hopfung sei noch etwas neumodischer Kram, den man mehr in den Großstädten oder im Osten des Landes finden würde. Und zweitens, fährt er fort, sei ein großer Teil der Klientel dieser Brauerei Rentner, die busweise hier als Tagesausflügler hergekarrt würden, und die liebten es nun einmal etwas süßlicher, süffiger. Besonders das malzbetonte Dunkle würde bei diesen Gästen besonders gut angekommen. Und da es bei einer kommerziellen Brauerei nun einmal darauf ankäme, viel Bier umzusetzen, immerhin müsse man davon ja leben, bliebe es bei den eher malzigen, süßlichen Bieren.
Und in der Klientel läge auch der Grund, warum es neben dem klassischen („langweiligen“, füge ich in Gedanken hinzu…) Triplett Hell Dunkel Weizen auch keine weiteren Biersorten gebe. Die Bustouristen seien wenig experimentierfreudig, da sei ein ungefiltertes Hausbräu schon etwas Exotisches, und die Urlauber seien ja meistens gar nicht so lange da, als dass sie sich über mangelnde Abwechslung beklagen würden.
Nun, aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dieser Argumentation zunächst nichts entgegen zu setzen.
Und unsere persönliche Erfahrung aus den vergangenen 90 Minuten bestätigte jedes einzelne Wort des Brauers.
Der große Saal direkt am kupfernen 10-hl-Sudwerk, das hier seit 1995 betrieben wird, war gemütlich-rustikal eingerichtet, und am sonnigen Nachmittag, an dem wir hier einkehrten, „bis zum Horizont“ mit Rentnern gefüllt. Ein lustiges Völkchen, dass sich an den manchmal etwas schlüpfrigen, altbekannten Scherzen des Alleinunterhalters ergötzte, der Musik auf dem Akkordeon lauschte und mit Masse entweder Kaffee oder dunkles Bier vor sich stehen hatte.
Gemeinsam mit der netten Kellnerin senkten wir den Altersdurchschnitt im Saal erheblich, gefühlt um mindestens zwei Dutzend Jahre, und nichts tut einem Mittfünfziger besser, als das Gefühl, zur jüngeren Generation zu gehören…
Trotz der vielen Rentner war der Service blitzschnell, und das Essen schmeckte gut, war ansprechend zubereitet und arrangiert. Und während vorne der Alleinunterhalter mit solidem Halbwissen (oder bewusster Vereinfachung?) die Gäste in die Kunst des Bierbrauens einwies („dann wird das Malz im Maischebottich zwei Stunden lang ausgekocht…“), testeten wir uns durch die Biere. Das Helle war nur leicht opak, sehr mild und süßlich, und ein ganz feines Hopfenaroma versuchte, zu retten, was zu retten ist, und bemühte sich um eine individuelle Note. Kein Geschmacksfehler, sorgfältig gebraut und recht trinkbar, aber eben nicht mein persönlicher Geschmack. Es folgte das Dunkle, deutlich malzbetont mit einer leichten Karamellnote. Omis Liebling. Und schließlich das Weizen. Leichte Bananennoten, recht vollmundig, ein Hauch von Gewürznelke. Aber selbst diesem Bier hätte ich ein wenig mehr Bittere gewünscht, um die Trinkbarkeit und vor allem die Kombination zum Essen ein wenig zu verbessern.
Aber egal der Brauer hatte uns ja erklärt, worum es ging. Und Geschmacksfehler wiesen die Biere wahrlich nicht auf, sie waren sehr sorgfältig gebraut.
Wir ergötzten uns noch ein wenig an dem schönen Sudwerk, warfen einen Blick in den Gär- und Lagerkeller, in dem gerade zweimal zehn Hektoliter in offenen Gärbottichen vor sich hin kräusten, und machten uns wieder auf den Weg. Eine wunderschöne Lage, tolle Aussicht über die grünen Wiesen auf die schneebedeckten Berge, ein guter Service, gutes Essen, solides Bier, und den Bus mit den Rentnern haben wir auch gut ausgehalten. Wir sind ja schließlich gegangen, bevor die Heizdecken verkauft wurden…
Angegliedert an den großen Hotelbetrieb des Hotels Thaneller ist das Stadl-Bräu täglich geöffnet. Zu erreichen ist es mit dem Linienbus von Reutte in Tirol aus, oder aber man wandert von Berwang, radelt oder kommt doch mit dem eigenen Auto. Parken kann man direkt am Hotel gebührenfrei. Sonnabends ist am Abend Livemusik, im Winter mittwochs und sonntags. Oder man kommt mit dem Rentner-Bus, dann ist ein wenig Musik im Betreuungsprogramm enthalten…
Stadl-Bräu Hotel Thaneller GmbH
Rinnen 38
6622 Berwang
Österreich