Eine umtriebige Brauerei, die immer mal wieder mit neuen Ideen aufwartet so präsentiert sich die Zötler-Brauerei im Internet. In natura habe ich sie unter anderem am 11. März 2008 besucht am Ortsrand des Brauereidorfs Rettenberg, das sich Brauereidorf nennt, weil zwei regional bedeutende Brauereien, die Zötler- und die Engelbrauerei, in (erzwungener?) Eintracht die Wirtschaft der Gemeinde dominieren.
Das Brauereigebäude empfängt den Besucher mit einem Turm, der in Gelb und Weiß so angestrichen ist, dass er wie mit Bier gefüllt aussehen soll. Nett. Die Sudkessel präsentieren sich attraktiv hinter Glasscheiben, ordentlich beschriftet und kupferglänzend. Ein paar Utensilien und Rohstoffe vervollständigen das Bild und machen den „Schaufensterbummel“ lehrreich.
Direkt daneben ein großer Schankraum aber offensichtlich leider nicht bewirtschaftet. Wird wohl nur für geschlossene Gesellschaften und anlässlich von Brauereibesichtigungen genutzt. Aber zum Glück gibt’s im Ortskern den Brauereigasthof Adler-Post, in dem man die Zötler-Biere verkosten kann. Nicht so schön, als wenn man es direkt in der Brauerei können täte, aber dennoch in Ordnung die rustikal-gemütliche Atmosphäre lädt zum Verweilen ein.
Und zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, ob bei all den neuen Ideen, mit denen die Brauerei aufwartet, diejenige eines Vollmond®Bieres nicht doch ein wenig überkandidelt und esoterisch ist. Vollmond mag ja ein netter Anlass sein, ein Brauereifest zu veranstalten, aber bitte erzähle mir niemand, dass bei Vollmond gebrautes Bier anders schmeckt als normales. Wer so etwas glaubt, verbiegt auch zusammen mit Uri Geller ganz in Gedanken sein Frühstücksbesteck…
Nachtrag 4. Mai 2015: Der heutige Tag bot mir erneut viel Gelegenheit, mir meine Gedanken über Esoterik zu machen. Ob Vollmond®Bier, Grander-Wasser, UFOs oder sonstiger Unfug es war faszinierend, mitzuerleben, wie groß der Anteil weltfremder und mit einfachster Schulphysik nicht vertrauter Menschen unter den Allgäu-Touristen ist. Doch gemach und der Reihe nach.
Nachdem das Vollmond®Bier, wie es der Name schon vorgibt, stets in der Vollmondnacht gebraut wird, lädt die Privatbrauerei Zötler an den Brautagen dieses Biers zum Vollmond-Abend ein. Bei zünftiger Allgäuer Volksmusik kann Bier getrunken, gegessen, gesungen und das Sudhaus besichtigt werden. Zu diesem Zweck wird auch das Restaurant direkt am Besucherzentrum der Brauerei bewirtschaftet.
Zum Ausschank kamen heute neben dem alkoholfreien Weizen und dem „normalen“ Alkoholfreien das 1447 Naturtrüb, der Maibock und das Vollmond®Bier. Obwohl Ausschank ist ja schon das verkehrte Wort. Alle fünf Sorten wurden lediglich in Flaschen angeboten. In Flaschen! Hier, am Ort seines Entstehens, wird das Bier nicht gezapft angeboten, sondern wie an der Trinkhalle im Kohlenpott in Flaschen! Merkwürdig.
Und leider haben uns alle drei „richtigen“, also nicht-alkoholfreien, Biere nicht wirklich gut geschmeckt eines wirkte süßlicher als das Nächste. Hopfen schienen die Biere nur von weitem gesehen zu haben, vermutlich nur in den kleinen Mengen, wie sie zwischen den Sudkesseln als Demonstrationsobjekte während der Sudhausbesichtigung verwendet werden. Dazu eine Restsüße, die das Bier fast schon klebrig machte, auf alle Fälle aber die Trinkbarkeit gewaltig reduzierte. Nach einem großen Glas (beziehungsweise einer Flasche) hatten wir einfach genug, wenn auch der Durst nicht verschwinden mochte. Aber nach der dritten Flasche stand uns, in der Tat, ja, es stand uns der Sinn nach einem großen Glas Wasser! Puh!
Die Musik verstand es, uns über unseren Frust hinwegzuhelfen, sie spielte wirklich gut, und selbst über die Multimediapräsentation hinweg, bei der der Vertriebsleiter der Brauerei am Mikrofon über die wunderbare Kraft des Vollmondes philosophierte, hielt sie uns bei Laune.
Es schloss sich an der obligatorische Rundgang durch das Sudhaus, und die Brauerei Zötler konnte mit einem echten Superlativ aufwarten: Es war die lustloseste Sudhausführung, die ich bisher erlebt habe. Missmutig erzählte der Brauer vom Brauprozess, und spannend wurde es für mich erst in dem Moment, als er betonte, worauf es beim Brauen ankäme. Es wäre nämlich die Trinkbarkeit des Biers, die Drinkability. Man müsse das Bier weit herunter vergären, es dürfe nicht so viel Restsüße haben, weil der Genießer sonst bereits nach einem großen Glas genug vom bappigen Zuckerwasser habe und sich nach einem Glas Wasser sehne. Wir sahen uns mit großen Augen an. Ja, warum lässt der gute Mann denn seinen Worten keine Taten folgen? Was wir bis eben probiert und verkostet haben, ist ja genau das Gegenteil der propagierten Brauphilosophie!
Es kam für mich als Naturwissenschaftler aber noch schlimmer. Der gute Mann begann, über positives und negatives Wasser zu referieren, darüber, dass sich das Wasser noch lange und negativ daran erinnern würde, wenn es mit acht Bar durch eine Wasserleitung geschossen würde, und dass man mit solch misshandeltem Wasser natürlich kein Bier brauen könne. „Achtung, gleich fängt er auch noch an, von Granderwasser zu schwafeln!“, raunte ich meiner Frau im Scherz zu.
Ach, Scherz, woher denn!
Es kam tatsächlich so: Zwei Sätze später pries der gute Mann die Vorzüge des Granderwasser, und wie wunderbar durchtrinkbar und frisch die Biere schmecken würden, wenn man sie mit diesem Wunder-Wasser braue. Die Mimik spaltete die Zuhörerschaft deutlich sichtbar in zwei Gruppen. Diejenigen, die in der Schule in Physik und Chemie immer gut aufgepasst hatten, verdrehten die Augen; die Esoterik-Touristen hingen gebannt an den Lippen des Brauers.
Uns reichte es. Der Höflichkeit halber warteten wir auf einen günstigen Moment, uns vorzeitig aus der Brauereibesichtigung heraus zu mogeln, was mir auch noch nie passiert ist. Allerdings verpassten wir so auch die Erklärung für das UFO-ähnliche Objekt, das zwischen Sudhaus und Lagerkeller installiert ist und diese mit dicken Rohren miteinander verbindet. „Ob sich in diesem UFO die geheime Grander-Maschine befindet? Ist bestimmt so eine Art Orgon-Akkumulator Wilhelm Reich lässt grüßen!“ dachte ich mir und sinnierte darüber nach, wie viel Scharlatanerie unsere Gesellschaft wohl noch aushält…
Freundlich verabschiedeten wir uns vom wirklich netten Servicepersonal und trollten uns von dannen. Draußen leuchtete der Vollmond, aber auf die wahre, die innere Erleuchtung warteten wir doch vergebens…
Die Zötler-Brauerei bietet zu festen Zeiten (dienstags um 10:30 Uhr, mittwochs um 18:30 Uhr und donnerstags um 14:00 Uhr) Brauereibesichtigungen an; an den Abenden vor der Vollmondnacht findet jeweils ab 19:00 Uhr das Vollmondfest statt; und etwa alle ein bis zwei Monate bietet die Brauerei auch Brau-Kurse auf einer Mini-Sudanlage an. Der Ausschank der Brauerei, der Brauereigasthof Adler-Post in der Ortsmitte von Rettenberg ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet, außer mittwochs, da ist Ruhetag, und donnerstags, da wird erst um 17:00 Uhr geöffnet. Rettenberg wird vom Linienbus angefahren, insofern ist die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut sichergestellt. Sowohl vor der Brauerei als auch am Brauereigasthof gibt es aber auch Möglichkeiten, sein Auto gratis abzustellen.
Privat-Brauerei Zötler GmbH
Grüntenstraße 2
87 549 Rettenberg
Bayern
Deutschland