„Ich sag‘ immer: ‚Ich bin nicht exzentrisch, ich bin nur meiner Zeit ein wenig voraus!‘“, lachte Tom Majorosi, Brauer der Privatbrauerei Eichbaum, als er die Tür zum Labor hinter uns wieder schloss und wir langsam zum Brauhaus, dem Ausschank der Brauerei, hinübergingen.
Anderthalb Stunden lang waren wir kreuz und quer durch die Brauerei gelaufen und haben uns jeden Winkel genau angesehen. Modernste Technik wie auch Ãœberbleibsel aus der langen Geschichte, und ein wahrer Wasserfall von Geschichten, Plänen, Anekdoten prasselte auf mich ein. Tom erzählte vom Gelände der Brauerei, auf dem sich früher insgesamt drei Brauereien buchstäblich Tür an Tür tummelten, sprang zu seinen eigenen Erfahrungen aus seinem Berufsleben, erzählte von Bellheimer, berichtete von seiner Zeit in Michigan, begann unvermittelt, von seinen Träumen, ein Craft-Bier-Festival auszurichten, zu erzählen, und erklärte im nächsten Augenblick schon wieder die moderne Technik des neuen Sudhauses, das die Firma Ziemann gebaut hat.
So viele Informationen und Eindrücke in so kurzer Zeit. Die biologische Festplatte in meinem Kopf ratterte am Abend des 25. Februar 2015 auf Höchstleistung, um den Datenstrom abzuspeichern…
1679 ist die Brauerei Eichbaum von Jean de Chaine zunächst in der Innenstadt gegründet worden, bevor sie 1873 an ihren heutigen Standort in der Käfertaler Straße verlegt wurde, weil der Platz in der Innenstadt einfach zu eng wurde. Auch wenn danach kein weiterer Umzug mehr erfolgte, blieb die Geschichte der Brauerei abwechslungsreich. Zwei Weltkriege und ihre Nachwirkungen mussten überstanden werden, die Eichbaum-Brauerei wurde zur AG und in den Frankfurter Henninger-Binding-Konzern eingegliedert, stand in den Plänen des Konzerns schon kurz vor einer Schließung, und ist nun, nach einem Management-Buyout eine GmbH mit eigener, individueller Zukunft. Die aber nicht minder spannend sein wird, denn auch an der Käfertaler Straße ist der Platz mittlerweile knapp; jede Erweiterung der Produktion, jede Ergänzung des Produktportfolios muss behutsam bedacht, jede Renovierung, jeder Umbau detailliert und sorgfältig geplant werden.
Staunend stand ich vor den riesigen, 4800 hl fassenden Outdoor-ZKGs; fasziniert blickte ich in den gewaltigen Maischekessel, in den sich in einem dicken Strahl das konditionierte und geschrotete Malz ergoss; gebannt blickte ich auf die Dosen-Abfüllung, in der tausende Ein-Liter-Dosen mit Eichbaum-Bier für den chinesischen Markt befüllt und verpackt wurden.
Aber so interessant die Großtechnik einer „Bierfabrik“ auch immer ist, noch viel fesselnder sind die jeweils individuellen Besonderheiten. Und da hatte Tom noch einiges für mich in petto. Mit vielsagendem Blick öffnete er die Tür zum alten Sudhaus und ließ mich eintreten.
Während ich noch die beiden großen, alten Kupferkessel bestaunte, die kupfernen Hähne des Läutergrants fotografierte und die alten Bügelverschlussflaschen bewunderte, wartete er geduldig, bis ich mich nach links wandte und endlich die gläserne Versuchsbrauerei entdeckte. In den achtziger Jahren gebaut, komplett aus Schott-Laborglas, und im Stil an das alte Physik- und Chemielabor meines Gymnasiums erinnernd, steht sie am Rande des alten Sudhauses und dient den Auszubildenden der Eichbaum-Brauerei als Spielzeug, als didaktisches Hilfsmittel, aber auch, und das ist das Beste, zur Produktion von kleinen Versuchssuden, mit denen man bei Eichbaum das Craft-Bier-Segment vorsichtig erschließen möchte.
Ende 2014 sind so die ersten drei Craft-Biere entstanden, die zunächst im eigenen Brauerei-Ausschank in Bügelflaschen verkauft werden, um die Akzeptanz der etwas zurückhaltenden Kurpfälzer zu testen. Das Paradiso-Zwickel ist ein hopfengestopftes, ungefiltertes Kellerbier mit fruchtigen Hopfenaromen und 5,0% Alkohol; das Chardonnay-Hell ein im Chardonnayfass ausgebautes Starkbier mit 6,9%; und der Barrique Bock schließlich ist ein dunkler Doppelbock, ebenfalls kräftig gehopft und mit seinen 7,6% im Barrique-Fass ausgebaut.
Spannende Biere, fürwahr, aber so richtig interessant wurde es erst im Labor, als Tom mir die vielen Flaschen mit kleineren Bierexperimenten zeigte. Bier, das auf speziellen Holzchips reift, wie das XT Chips. Blitzschnell goss er mir einen winzigen Probeschluck ein, und ich genoss das feine, an einen jungen Whisky erinnernde Aroma. „Mit unterschiedlichen Holzchips-Sorten kann man die verschiedensten Aromen ins Bier zaubern“, erklärte er mir, „mit getoasteten Maulbeerbaum-Chips erzielt man beispielsweise ein tolles, torfiges Aroma!“ setzte er fort und ließ mich an der großen Tüte mit den wie angekokelte Hobelspäne aussehenden Holzstückchen riechen.
„Aber auch die modernen Hopfensorten bieten so viel Potential!“, schwärmte er weiter. „Equinoxe aus den USA zum Beispiel, hier, probier‘ mal!“ sagte er und schenkte mir eine kleine Probe ein. „Guave in der Nase, grüne Paprika im Abgang, ein ganz tolles Geschmackserlebnis!“
Stunden hätten wir hier noch weiter diskutieren und verkosten können. Tom sprudelte nur so vor Ideen, sprang gedanklich immer wieder hin und her. Erzählte von einer Kleinbrauerei auf Kreta, die er mit geplant und aufgebaut hat; entwickelte Visionen, wie man die Eichbaum-Brauereien im Craft-Bier-Segment vielleicht aufstellen könnte, wenn doch nur genug Kapital für die notwendigen Investitionen da sei; schilderte blumig seine Jahre in den USA bei der Atwater-Brewery in Detroit, wo man vor 20 Jahren in der gleichen Situation gestanden habe, wie wir heute in Deutschland. Ungewissheit, ob und wie sich die Craft-Bier-Bewegung entwickelt. Eine Zeit, in der die skurrilsten Ideen entstanden sind. Viele sind gescheitert, viele waren ungeheuer erfolgreich.
Viele bunte Luftschlösser entstanden vor unseren geistigen Augen, aber hellseherische Fähigkeiten hat natürlich niemand, und auch das Management der Brauerei muss natürlich vorsichtig und solide agieren.
„Ich bin nicht exzentrisch…“ sagte Tom, und ließ all die gerade aufgerichteten Luftschlösser wieder einstürzen.
Beim leckeren Roten Räuberbier und dem wunderbar hopfenaromatischen Kellerbier im Brauerei-Ausschank saßen wir noch lange beisammen und sinnierten, und als ich dann mit den leise klimpernden Flaschen der drei Spezialsude im Rucksack langsam auf die Straße hinaustrat, wusste ich: Hier werde ich bestimmt irgendwann wieder herkommen, und dann gibt es bestimmt mehr als nur diese drei Craft-Bier-Sorten. Man muss nur fest daran glauben, und seiner Zeit gedanklich voraus sein.
So, wie Tom.
Außerhalb einer solchen Privatführung, wie ich sie heute genießen konnte, kann man die Eichbaum-Brauerei in Gruppen ab 30 Personen im Rahmen einer organisierten Brauerei-Führung besichtigten; der Ausschank, also das Eichbaum Brauhaus, nur wenige Schritte neben dem Haupttor, ist täglich von 10:00 Uhr an bis Mitternacht durchgehend geöffnet und besticht seit der Renovierung 2011 mit seinem neuen, modern-gemütlichen Ambiente. Zu erreichen sind Brauerei und Brauhaus bequem mit den Straßenbahnlinien 2 und 7, Haltestelle Bibienastraße, nur etwa 80 m vom Brauhaus entfernt.
Privatbrauerei Eichbaum GmbH & Co. KG
Käfertaler Straße 170
68 167 Mannheim
Baden Württemberg
Deutschland