Die Berliner Hinterhöfe ein Thema für sich. Nicht nur zu Zilles Zeiten, sondern bis heute bergen sie eine eigene Kiezkultur, und wer durch die Tore der Haupthäuser in der ersten Reihe hindurch geht, findet sich häufig in einer ganz eigenen Welt wieder.
In einem solchen Hinterhof hat sich Christoph Flessa seine eigene Brauerei aufgebaut. Nur ein kleines Schild an der Petersburger Straße weist auf das Flessa-Bräu hin. Zwei große Holztüren und die dunkle Hofeinfahrt müssen durchschritten werden, dann an der einschüchternd wirkenden, dicken Stahltür klingeln, und mit etwas Glück ist der Brauer da. Zwischen 09:00 Uhr morgens und 16:00 Uhr nachmittags während der Woche eigentlich immer, und auch sonst recht oft 80-Stunden-Wochen sind für Christoph leider keine Seltenheit.
Auf Geräten vom Typ Speidel Braumeister braut er hier. Zunächst eine Weile lang auf drei kleinen, 50-l-Geräten parallel. Eine Heidenarbeit, wenig effizient, aber mit leckerem Bier. Der Erfolg stellte sich rasch ein, die Biere waren beliebt und gingen nicht nur im Hofverkauf weg wie nix, sondern auch in Flaschen und Fässern in der Kiez-Gastronomie. Christoph erweiterte, legte sich einen 200-l-Braumeister zu. Das ist zwar nicht viel mehr als 3 x 50 l, aber es ist effizienter, nicht so arbeitsintensiv.
Und auch schon wieder zu knapp. Jetzt wird zu jedem 200-l-Sud ein 50-l-Sud parallel gekocht, so dass pro Schicht 250 l Bier entstehen. Oder etwas mehr, wenn alle Bottiche randvoll gemacht und alle Möglichkeiten ausgereizt werden.
Sechs verschiedene Biere entstehen hier zur Zeit. Keine echten Exoten, aber solide Trinkbiere. Biere, „in denen ich mich wiederfinden kann“, wie Christoph selbst sagt. „Sie müssen schmecken und durchtrinkbar sein. So, dass ich auch ein paar Halbe hintereinander davon mag, ohne zu viel zu bekommen.“ Die Palette beginnt bei einem leichten Schankbier mit knapp unter vier Prozent Alkohol. Ãœberraschend kräftig und sauber im Geschmack, bei weitem nicht so wässrig und lätschert wie viele andere, leichte Biere. Dann das Pils. Leichte grasige, heuartige Duftnoten, eine saubere, nicht zu intensive Herbe, klarer, frischer Pilsgeschmack. Das Export: Wunderbar weich. Samtig fast. Und das mit dem Berliner Stadtwasser! Chapeau, Christoph.
Das Weizen, spritzig, aber nicht überspundet. Leichte Bananen- und Aprikosennoten. Ein schönes, frisches Sommerbier. Das Mandarina mit dem neuen Aromahopfen Mandarina Bavaria veredelt. Schöne Aromen, die an Mandarinenschalen erinnern. Würzig, kräftig, durchaus knackig herb, aber noch weit von den knallharten Hopfenhämmern entfernt, mit denen manch andere Handwerksbrauer den neugierigen Anfänger verschrecken. Und schließlich das ExtrAle, ein fruchtiges, obergäriges Bier. Intensiv im Geschmack und dennoch ein feiner Durstlöscher.
Mit dem Bierglas in der Hand erkunden wir die Brauerei. Es ist noch Platz, um sich zu vergrößern. Auch die Kühlräume sind nicht zu knapp bemessen. Und um die zusätzliche Arbeit zu bewältigen, helfen Igor aus dem Baskenland und Mauro aus Argentinien. Internationale Kiezatmosphäre direkt am Braukessel. Prima, so soll es sein!
Der Rucksack wird randvoll gepackt mit den Flessa-Bieren. Leise vor mich hin klimpernd gehe ich zurück zur Straßenbahn. Noch einmal ein Blick zurück: Wenn man es nicht weiß, würde man hinter dieser Fassade keine so spannende Kleinbrauerei vermuten. Ob mehr oder deutlichere Reklame angebracht wäre? Ach, ich glaube es fast nicht. Christoph erweckte eher den Eindruck, als könne er derzeit gar nicht so viel brauen, wie nachgefragt würde. Reklame scheint da unnötig zu sein!
Die Brauerei ist montags bis freitags von 09:00 bis 16:00 Uhr geöffnet; es gibt keinen Ausschank, keine Restauration, aber direkten Werkverkauf, auch in einzelnen Flaschen, direkt aus dem Kühlschrank. Zu erreichen ist das Flessa-Bräu mit der Straßenbahn M10, Haltestelle Straßmannstraße, quasi direkt vor der Tür.
Flessa Bräu
Petersburger Straße 39
10 249 Berlin
Berlin
Deutschland