Eine kurze Geschichte von der vergeblichen Suche nach dem guten Bier.
Man sollte ja meinen, denke ich so bei mir, als ich mir die verschneiten Straßen im Bayerischen Wald durch die Windschutzscheibe ansehe, man sollte ja meinen, dass die Menschen irgendwann einmal lernen. Lernen, mit dem ersten Schnee des Jahres souverän umzugehen und nicht jedes Jahr aufs Neue völlig überrascht und unvorbereitet von ihm getroffen zu werden, im Chaos zu versinken. Wenigstens hier, so denke ich weiter, bei Bischofsreuth, wo der Bayerische Wald besonders bayerisch und besonders waldig ist, da sollte es Mitte November doch keine Ãœberraschung darstellen, wenn es schneit. Und wenn doch, dann sollte doch wenigstens der Dorfälteste noch die Spur einer Erinnerung haben, wie man es in früheren Jahren gemacht hatte. Damals. Als die Welt noch in Ordnung war, der Jahreslauf noch bekannt.
Da war doch noch was, müsste er sich erinnern, da gab es doch im Bauhof oder beim Milchbauern am Dorfrand Fahrzeuge mit Räumschilden und Salzstreuvorrichtungen, und ja, der Huberbauer und sein Knecht, die beiden müssten doch auch noch wissen, wo man das Streugut letzten Winter eingelagert hatte. Und wer war das nochmal, der den Führerschein für den Schneepflug hatte?
Ach, es ist wie jeden Winter. Niemand hat gestern die Wettervorhersage gelesen, niemand hat sich schon mal vorbeugend gekümmert, und so kommt es, wie es kommen muss. Unweigerlich. Es ist Herbst, der erste Schnee fällt, fünf Zentimeter nur, gar nicht der Rede wert, aber die Straßen sind nicht geräumt, es ist glatt.
Langsam rolle ich durch den Wald. Der Fahrer eines Wohnmobils, das sich auf der Straßenbankette hoffnungslos festgefahren hat, winkt. Ich winke freundlich zurück und fahre weiter. Im Rückspiegel sehe ich: gelb-schwarze Nummernschilder. Ach ja, ein Holländer. Freundliche Menschen, er winkt wirklich nett. Immer noch. Hätte er, statt zu winken, doch lieber einmal Winterreifen aufgezogen.
Aber ach, die politisch unkorrekten Gedanken über die Holländer und ihre Winterfahrtauglichkeit verfliegen rasch, als ich das nächste Auto sehe. Ein Lieferwagen. Quer in eine Einfahrt gerutscht. Auch Sommerreifen. Und FRG auf dem Nummernschild. Ein Einheimischer, der es hätte besser wissen müssen Mitte November kann es im Bayerischen Wald schon einmal schneien…
Und nun kommt der Verkehr völlig zum Erliegen. Ein besonders Schlauer, ein Lkw-Fahrer, mit Sattelzug, hat seinen Auflieger quer gestellt. Zentimeterweise nur tasten sich die wenigen mutigen Fahrer an ihm vorbei, die meisten ziehen rechts ran und warten.
Entnervt schaue ich auf mein Navi. Zum Glück ist noch viel Zeit bis zu meinem nächsten Termin, ich kann mir den Luxus gönnen, noch schnell irgendwo auf eine Mahlzeit und ein Bier einzukehren und zu hoffen, dass sich die Lage auf den Straßen anschließend beruhigt haben wird. Schließlich schneit es schon seit einer Weile nicht mehr, und die paar Zentimeter sollten doch eigentlich kein Problem darstellen.
Gut Riedelsbach, empfiehlt mir Cortana, die Stimme aus dem Off. Bier- und Wohlfühlhotel. Sieben Kilometer.
Auf geht’s. Die Straße wird schmal und immer schmäler, die Winterreifen pflügen sich durch die dünne Schneedecke. Vor mir taucht etwas Gewaltiges, Dunkles auf. Ein riesiger Holzlaster mit Dutzenden von Baumstämmen. Mitten auf der schmalen Straße steht er, die Hinterräder der Zugmaschine drehen auf der Stelle und polieren die Eisdecke unter ihnen zu perfekter Glätte. Das hat mir gerade noch gefehlt. Wie in Zeitlupe schiebt sich die Zugmaschine immer weiter nach rechts, bis auf die Bankette und fährt sich fest. Zum Glück gerade weit genug, dass ich dran vorbei komme.
Keine weiteren Hindernisse bis zum Gut Riedelsbach. Ich habe Hunger und Durst, sehe in Gedanken schon das leckere Essen und das kleine Glas Bier vor mir. Frohgemut fahre ich vor das Gasthaus und Hotel, und erst, als ich vor dem Eingang stehe, sehe ich den kleinen, handgeschriebenen Zettel an der Tür kleben: Wir machen Urlaub.
Es ist genial. Mit ungeheurer Präzision habe ich die einzige Woche des Jahres erwischt, in der hier geschlossen ist… Die Bilder vom frisch gezapften Sitterbräu, vom deftigen Schweinsbraten und von der gemütlichen warmen Wirtsstube zerplatzen vor meinem inneren Auge, ich kehre um, wieder hinaus auf die Straße, in den Wald, in den Schnee…
Die Suche nach dem guten Bier war vergeblich; statt eines schönen Berichts über einen Brauhausbesuch gibt es nur einen dummen Text über den Wintereinbruch im Bayerischen Wald, und anstelle einer informativen Fotodokumentation nur ein Zielfoto als Beweis für den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Ich wäre als Leser an dieser Stelle jetzt auch enttäuscht…
Das Gut Riedelsbach ist schon seit vielen Jahrzehnten ein Wirtshaus, und seit 1988 verfügt es über eine eigene Gasthausbrauerei. Wirt Bernhard Sitter ist Brauer und Biersommelier und betreibt das Gut seit 2007 als Bier- und Wohlfühlhotel. Wellness, Brauen, Bierspezialitäten sind die Schwerpunkte insbesondere die Bierkulinarien, bei denen mehrgängige Menüs mit den dazu passenden Bieren kombiniert werden, sind bekannt und berühmt. Das Wirtshaus im 1. Bier- und Wohlfühlhotel Gut Riedelsbach ist täglich außer donnerstags geöffnet (wenn nicht gerade Betriebsferien sind); zu erreichen ist es mit dem Auto etwa fünf Kilometer auf schmaler Straße durch den Wald, außerhalb des Ortes Neureichenau.
1. Bier- und Wohlfühlhotel Gut Riedelsbach
Riedelsbach 12
94 089 Neureichenau
Bayern
Deutschland