ViniÄné Å umice, ein kleines Dörfchen, nur wenige Kilometer von der Autobahn und von der zweitgrößten tschechischen Stadt Brno entfernt, und doch so einsam gelegen.
Wir biegen von der Autobahn ab, fahren noch ein paar hundert Meter auf der Bundesstraße, und als wir diese verlassen, breiten sich hinter einem Hügel nur noch Felder und Wälder aus. Im Grau des späten Winternachmittags ist kein Licht mehr zu sehen, keine Häuser, nichts. Erst hinter der nächsten Hügelkette taucht ViniÄné Å umice auf, malerisch an die Flanke der letzten Ausläufer des mährischen Karsts gebaut.
Vorsichtig schlittern wir die Kehren in der Ortsmitte hoch. Hier ist irgendwann mal geräumt und gestreut worden, aber das war vor dem letzten Schneefall, nicht danach. Und schließlich stehen wir vor dem schmucklosen, kastenförmigen Gebäude der Å umický Pivovar Vildenberg.
Der Name stammt aus dem Mittelalter. In der Nähe der heutigen Brauerei befand sich die Burg Vildenberg, eine der größten Burgen in Mähren, benannt nach ihrem Gründer Půta z Vildenberka. Aber ihr war keine lange Existenz beschieden. Markgraf JoÅ¡t Lucemburský übernahm die Burg, verkaufte sie jedoch rasch, und sie wurde geschleift und ihre Steine genutzt, eine Kirche und mehrere Befestigungen in den nahegelegenen Weilern PozoÅ™ice und Kovalovice zu bauen.
Viele hundert Jahre später, 2013, begannen in ViniÄné Å umice die Arbeiten, eine neue Brauerei zu errichten, und als sie im Sommer 2014 ihre Produktion begann, wurden die Anwohner gefragt, welchen Namen sie tragen solle. Sie entschieden sich für den historischen Bezug zur Burg, und somit heißt die junge Gasthausbrauerei nun also Å umický Pivovar Vildenberg.
Genug doziert. Jetzt gehen wir hinein!
Uns empfängt ein großer, schlichter, aber nicht ungemütlicher Schankraum. Die Wände sind mit Emailletafeln von Brauereien und Biermarken dekoriert; an der Stirnwand hängt eine Leinwand, auf der bei Bedarf Fußball- und Eishockeyspiele übertragen werden können. Rechter Hand eine winzige Theke mit drei Zapfhähnen, wo das im Keller gebraute Bier ausgeschenkt wird. Draußen ist es zwar bitterkalt, aber die Heizkörper in der Gaststube glühen, und es ist kuschelig warm.
Zwei helle Biere habe sie, erklärt uns die freundliche Kellnerin. Ein Zehner und ein Zwölfer. Das seien die Standardbiere, die es immer gibt. Und daneben gebe es ein Sonderbier, das wäre zurzeit ein Halbdunkles mit 14°. Wir bestellen zunächst das Zehner, also das VýÄepnà SvÄ›tlé Pivo 10°, wie es offiziell heißt. Dazu einen Nakladaný HermelÃn, einen in Öl und Kräutern eingelegten Käse.
Das Bier riecht ganz dezent nach Diacetyl, ein Hauch nur, und hat für seine geringe Stammwürze einen überraschend kräftig malzigen Geschmack. Passt gut zum würzigen und fast schon streng aromatischen Käse.
Das zweite Bier, das Zwölfer, beziehungsweise das SvÄ›tlý Ležák 12°, kommt, wie schon das erste Bier, mit einer festen und stabilen Schaumkrone daher. Im Duft kein Diacetyl, stattdessen eine ganz, ganz leicht metallische Note. Ein erster, großer Schluck und eine nicht minder große Ãœberraschung. Glatt und sauber, sehr klar schmeckt es, fast schon ein wenig wässrig. Hätten wir es nicht ausdrücklich andersherum bestellt, würden wir denken, dieses sei das Leichtere der beiden hellen Biere. Ein gutes Bier zum Durstlöschen im Sommer, aber kein so idealer Begleiter zum würzigen Käse.
Der Käse ist alle, und anstelle eines Desserts bestellen wir uns das Sonderbier, das Polotmavý Ležák Speciál 14°. Ein karamelliger, ein bisschen in Richtung Honig changierender Duft, ein voller, runder und etwas malzsüßlicher Schluck. Kräftig und süffig, dieses Bier, und es ersetzt locker den Nachtisch.
Einen Moment bleiben wir noch sitzen, genießen die wohlige Wärme in der Gaststube und beobachten die anderen Gäste. Eine Dame sitzt ganz allein an einem Tisch am Eingang, ihren kleinen Wanderrucksack neben sich an die Wand gelehnt. Sie ist mittlerweile beim dritten großen Speciál die Wanderung muss lang gewesen sein. So typisch für Tschechien: Während im Rest der Welt das weibliche Geschlecht langsam und aus kleinen Gläschen trinkt, ist es hier das Normalste der Welt, dass auch die Damen große Humpen vor sich stehen haben und sich nicht nur auf einen davon beschränken. Alltag, das heißt Bier, und Bier ist Alltag. Es gehört einfach immer dazu.
Ab und an kommen Menschen aus der Nachbarschaft, holen sich eine oder zwei PET-Flaschen mit anderthalb Litern Bier für zuhause, packen sie zu ihren Einkäufen aus dem nahegelegenen Supermarkt in die Tasche und gehen weiter.
Wir fragen die freundliche Kellnerin, wo denn nun die Brauerei genau stehen würde, und ob man sie vielleicht auch anschauen könne. „Genau unter Euch“, lacht sie und zeigt mit dem Finger auf den Boden. Aber eine Besichtigung ginge nur im Rahmen einer angemeldeten Führung, da müsse sie uns leider enttäuschen, heißt es weiter. Schade.
Uns bleibt nichts Anderes übrig, als ohne Blick auf die Sudkessel aufzubrechen. Wir fragen nach der Rechnung und machen große Augen: Drei Biere, Kaffee, Tee, Käse, Brot, Kartoffelpuffer, alles zusammen für gerade einmal 200,- CZK, weniger als acht Euro. Hier auf dem Dorf, da ist die Welt noch in Ordnung!
Das Burgrestaurant, Hradská Restaurace, der Å umický Pivovar Vildenberg ist täglich ab 16:00 Uhr geöffnet, kein Ruhetag. Es gibt neben den eigenen Bieren kleine Snacks wie Käse, Würstchen oder Kartoffelpuffer, dazu eine kleine Auswahl an Pizzen. Die Brauerei selber befindet sich im Keller des Gebäudes, ist jedoch nur nach Anmeldung zu besichtigen. Zu erreichen sind Restaurant und Brauerei bequem mit dem Auto, fünf Minuten von der Autobahn D1 entfernt, Parkmöglichkeiten unterhalb des Restaurants entlang der Straße. Oder man kommt mit dem regelmäßig etwa einmal pro Stunde verkehrenden Bus, der in der Ortsmitte hält, dreihundert Meter entfernt.
Šumický Pivovar Vildenberg
ViniÄné Å umice 389
664 06 ViniÄné Å umice
Tschechien