„Ferien auf dem Bauernhof?“ „Klingt ja ganz romantisch, aber…“
„Und wenn der Hof eine eigene Brauerei besäße?“ „Ich bin schon dabei, die Koffer zu packen!“
Nun, der Dialog ist zwar nicht ganz so abgelaufen, hätte aber können…
Im winzigen Dörfchen VÃsky irgendwo weit draußen in Mähren befindet sich das Agrocentrum Ohrada („Koppel“), ein Bauernhof mit Pferden für den Ausritt, einem Spa, einer eigenen Gastronomie und seit einiger Zeit auch mit einer eigenen Brauerei. 2004 wurde das Zentrum eröffnet, das Spa kam 2006 hinzu. Man züchtet schottische Highland-Rinder, deren Steaks natürlich auch im Restaurant auf dem Teller landen, und 2013 wurde in der großen Scheune eine Brauerei eingerichtet.
Der Schnee knirscht unter den Autoreifen. Bei sibirischer Kälte von -18° C rollen wir auf den Hof des Agrocentrum Ohrada und stellen den Wagen direkt vor das Schaufenster der Brauerei, der Vesnický Pivovar Ohrada. Für einen kurzen Moment bleiben wir noch im kuschelig warmen Auto sitzen und genießen den Blick direkt auf die silbrig glänzenden Braukessel, aber dann treiben uns Hunger, Durst und Neugier doch in die Kälte hinaus.
Wir stapfen am Gebäude entlang, über die Veranda und betreten die Gaststube. Bullige Hitze. Der Kamin an der Seitenwand scheint zu glühen, hoch lodern die Flammen hinter der Glaswand. Wunderbar. Draußen eisige Kälte, hier drinnen die gemütliche Wärme, dazu der Blick auf den verschneiten Hof, auf den sich langsam die Dämmerung herabsenkt. Schön!
Die Einrichtung ist konsequent in rustikal bearbeitetem Holz gehalten, neben dem Kamin als einziges Zugeständnis an die moderne Plastikwelt eine Spielecke für Kinder mit quietschbuntem Spielzeug.
Der freundliche Kellner legt uns die Speisekarte hin und überbringt uns feierlich die schlechte Nachricht: Es täte ihm fürchterlich leid, aber das halbdunkle Pacholek mit 12° gebe es derzeit nicht, sondern nur die anderen beiden Sorten, das helle BejÄek mit 11° und das Honigbier MeÄák mit 15°. Er schaut so bedauernd und traurig drein, dass wir lachen müssen, und wir bestellen ein MeÄák und… ein alkoholfreies Birell in Tschechien gilt unverändert und nicht zu Unrecht die 0,0-Promille-Grenze.
Dazu ein leckeres Steak vom Hochlandrind und einen wir machen große Augen, als wir den Namen in der Speisekarte lesen Pipi-Burger. Warum auch immer der so heißt wahrscheinlich ist das im Tschechischen ein völlig unverfänglicher Name.
Das Honigbier MeÄák erweist sich als schön süffiges und sehr rundes, vollmundiges bernsteinfarbenes Bier. Das Honigaroma ist deutlich spürbar, ohne aufdringlich zu wirken, die Restsüße ebenfalls deutlich, aber nicht etwa klebrig, sondern sehr ausgewogen. Honigbiere sind sonst nicht so mein Fall, aber dieses hier schmeckt gut. Und es passt gut zum Steak. Die ebenfalls leicht süßliche Soße mit den roten Pfefferbeeren, der Rucola-Salat mit süßsaurem Balsamico und das Honigbier alles passt gut.
Der Pipi-Burger erweist sich als Monstrum. Eine riesige Scheibe panierte Hühnerbrust, Berge von Salat, Gurken, Tomaten, viel Mayonnaise und ein Berg dicker Pommes Frites (Stekové Hranolki), pfiffig mit viel Kräutern gewürzt sehr schön. Dazu passt dann auch das helle BejÄek sehr gut. Ein Hauch von Diacetyl, aber wirklich nur ein Hauch, ungewöhnlich wenig für tschechische Verhältnisse, eine zurückhaltende Hopfung, ebenfalls ein schönes, süffiges Bier.
Das Sudwerk, auf dem diese Biere entstehen, befindet sich in einem Seitenraum, der nicht nur durch das Schaufenster von außen einzusehen ist, sondern auch durch eine Panorama-Scheibe, die sich im Nebenraum, in dem geschlossene Gesellschaften sitzen können, befindet. Zwei Geräte direkt vor dem Fenster, eines daneben, und über den Innenraum verteilt einige Gär- und Lagertanks. Die Brauerei verweist stolz darauf, dass die Biere nach der Premiere 2013 sehr erfolgreich verkauft werden konnten und mittlerweile nicht nur auf dem Hof selber, sondern auch in der Gastronomie der Region bis hin nach Brno erhältlich sind. Die Nachfrage sei sogar so hoch, dass man Mitte 2016 zwei zusätzliche Gärtanks gekauft habe.
Wir erstehen noch von jeder Sorte eine große Flasche (in der PET-Flasche ist das Halbdunkle noch vorrätig, nur vom Fass gab es nichts mehr) und machen uns wieder auf den Weg. Einladend und warm steht das große Holzhaus in der Dunkelheit, verschwindet langsam im Rückspiegel. Lecker war’s. Gutes Essen und sehr solide, wenn auch nicht wirklich innovative Biere.
Das Restaurant im Agrocentrum Ohrada ist donnerstags bis sonntags von 11:30 bis 20:00 Uhr geöffnet; die Biere der im Raum nebenan gelegenen Vesnický Pivovar Ohrada werden hier ausgeschenkt. Zu erreichen ist das winzige Dörfchen sinnvoll eigentlich nur mit dem Auto; Parkplätze gibt es auf dem Hof ausreichend. Die Anreise mit dem Linienbus ist zwar theoretisch möglich, aber beliebig zeitaufwändig.
Vesnický Pivovar Ohrada
VÃsky 100
679 33 VÃsky u Letovic
Tschechien