Wenn die Dörfer so klein werden, dass sie keine Straßennamen mehr kennen, dann weiß man, dass man tief in der Provinz angekommen ist. So zum Beispiel im Dörfchen Trnava, irgendwo hinter ZlÃn in den Bergen. Eine ganze Weile sind wir über kleine und kurvige, heute zum Teil auch vereiste Sträßchen gefahren, aber nun stehen wir doch vor dem Haus mit der Nummer 23: Pivovar, Penzion, Hostinec steht groß an der Giebelseite, und daneben das Wappen mit dem Pferdekopf: VranÃk Rodinný Pivovar v TrnavÄ›.
Ein recht kleines Gebäude nur, dafür dass es Brauerei, Pension und Gastwirtschaft unter einem Dach vereint, und wir erwarten hier am Ende der Welt nichts Besonderes. Trotzdem treten wir frohgemut ein und lassen uns überraschen.
Und überrascht sind wir in der Tat. Was auf den ersten Blick wie eine kleine Allerweltskneipe wirkt, entpuppt sich als wirklich nette Brauereiwirtschaft. Eine umfangreiche Speisekarte mit allem, was deftig und rustikal ist, gerne auch in einer englischen Version für Gäste aus dem Ausland. Eine junge Dame, die fließend englisch spricht und uns bei der Auswahl der Gerichte berät. Und schließlich: Eine Liste von immerhin sieben verschiedenen Bieren, die hier vor Ort produziert werden.
Wir machen es uns gemütlich, bestellen ein wenig hiervon, ein wenig davon, und dazu ein lokal gebrautes India Pale Ale.
Das Bier kommt rasch, schön kupferfarben, nur ganz leicht opak, steht es vor uns im Glas, gekrönt von einem festen, lange haltbaren, schneeweißen Schaum. Appetitlich schaut es aus. Ein leichter Hauch Diacetyl begrüßt die Nase, bevor ich den ersten Schluck nehmen kann. Eine offensichtlich sehr tschechische Interpretation des Bierstils. Dann der erste Schluck: Rund und malzig, und erneut ein deutlich spürbares, wenn auch zum Glück nicht zu dominantes, Diacetyl-Aroma. Die Hopfencharakteristik erstaunlich dezent etwas bitterer, etwas kräftiger zwar, als in einem normalen tschechischen Hellen, aber nicht wirklich eines IPA würdig. Zu vorsichtig, zu zurückhaltend gehopft. Ein leckeres Bier jenseits aller Stil-Konventionen, aber gewiss kein IPA. Aber es ist Kritik auf hohem Niveau, denn es ist süffig und lecker.
Und preiswert.
Und da kommen auch schon die Hauptgerichte, und uns gehen die Augen über: Was als Kleinigkeit bestellt worden war, erweist sich als gewaltige Portion. Statt eines kleinen, gefüllten Kartoffelpuffers (naplnÄ›ný bramborák) kommt ein Puffer von den Ausmaßen eines Wohnzimmerteppichs, aufgerollt und prall gefüllt mit Hühnerbrust. Der kleine Bauernsalat (Å¡opský salát) dazu kommt auf einem Riesenteller, den er locker ausfüllt. Und mein gebackener Käse (smažený hermelÃn) mit Pommes (hranolky) erweist sich als ein Set von drei verschiedenen, ausgewachsenen Käselaiben, paniert und gebacken und neckisch auf einem Gebirge aus Kartoffelstäbchen drapiert. Dazu ein Eimer mit Tatarka, einer Art Remoulade.
„Wer soll das alles essen?“, fragen wir uns und machen uns verzagt ans Werk. Es schmeckt ausgezeichnet, aber nach zwei Dritteln müssen wir entkräftet aufgeben. Die Bedienung lächelt verständnisvoll, als sie die Reste abräumt wir scheinen nicht die ersten zu sein, die diese Portionen nicht geschafft haben…
Einen Verdauungskaffee gönnen wir uns noch, und dann geht es wieder los wie immer liegen noch viele Kilometer vor uns, und die ziehen sich bei den vereisten Straßen ganz schön. Wir erstehen von jeder der sieben Biersorten noch eine PET-Flasche zum Mitnehmen.
Wie in so vielen kleinen tschechischen Brauereien werden die Biere jeden Tag frisch auf PET-Flaschen gezogen und in einem kleinen Kühlschrank neben der Theke angeboten. Spätestens mit Einführung regelmäßiger Alkoholkontrollen und der 0,0-‰-Grenze hat sich dieses Verfahren fast überall eingebürgert. Man holt sich beim Essen den Appetit auf das Bier und nimmt es dann frisch gekühlt nachhause mit. Für ein paar Tage ist die PET-Flasche als Behältnis in Ordnung lange lagern kann man das Bier darin allerdings nicht. Besser als der Wucher mit den Siphon-Flaschen in Deutschland aber, bei denen man nicht nur ein hohes Pfand bezahlen muss (was ich noch nachvollziehen könnte, auch wenn es manchmal schwierig ist, die Flaschen wieder abzugeben, weil man doch nicht so oft in die Provinz kommt), sondern sie manchmal sogar kaufen muss und dann so ein unhandliches Trumm im Keller stehen hat, ist es allemal. Nocht so eine Geldschneiderei…
Eine große Tasche mit Bier verstauen wir also sorgfältig im Kofferraum und freuen uns auf die kommenden Abende, an denen wir die leckeren VranÃk-Biere verkosten werden.
Im Sommer 2014 ist die kleine Familienbrauerei Pivovar VranÃk eröffnet worden und produziert seitdem auf dem 10 hl großen Zwei-Geräte-Sudwerk ein halbes Dutzend und mehr Biere. Keine exotischen Stile, aber leckere und sehr süffige Alltagsbiere für einen fairen Preis. Das Restaurant der kleinen Brauerei ist täglich von 11:00 bis 22:00 Uhr durchgehend geöffnet, an den Wochenenden auch länger; kein Ruhetag. Zu erreichen ist die Brauerei mit dem Auto problemlos, man fährt einfach immer dem Flüsschen Trnavká nach, das dem Ort auch den Namen gegeben hat. Und wenn man alle Biere verkostet hat, dann übernachtet man einfach in einem der kleinen Gästezimmer im Haus. Vermutlich gibt es auch eine Busverbindung hierher, so etwa ein oder zwei Mal am Tag…
Pivovar VranÃk
Trnava 23
763 18 Trnava u ZlÃna
Tschechien