„Nee, oder?“ Wir schauen uns enttäuscht an. „Und deswegen sind wir zwanzig Minuten bei Staub und Hitze durch die schmutzigen Straßen und Gassen Hà Ná»™is gelaufen?“ Der Frust steht meiner holden Ehefrau ins Gesicht geschrieben.
Wir stehen vor einer schmutzigen Glasscheibe und schauen auf zwei kupferne Braukessel, die anscheinend schon ewig nicht mehr benutzt worden sind. Die wackelige Holztür, die in den Sudraum führt, hängt schief, ist aber fest verschlossen. Davor liegt Plunder herum; alles ist, wie überall in Vietnam, mit Mopeds zugeparkt.
Missmutig mache ich ein paar Bilder durch das dreckige Glas. Ich möchte wenigstens dokumentieren, dass ich es versucht habe, in The Windmill einzukehren, hier ein Bier zu trinken. Neugierig gehe ich noch ein paar Schritte in die Einfahrt nebenan, vielleicht kann ich noch ein paar Blicke auf alte Bierfässer oder so erhaschen. Vorsichtig taste ich mich zwischen den dicht an dicht stehenden Mopeds hindurch. Einen Moment nicht aufgepasst, und es riecht angesengt. Ruckzuck hat man sich am noch heißen Auspuff übel verbrannt fast alle kurzbehosten Touristen und Touristinnen, die sich mal auf ein Motorradtaxi gewagt haben, tragen ihre Brandwunden an der Innenseite der Schenkel wie Trophäen mit sich herum.
Noch zwei Schritte, und plötzlich stehe ich in einer anderen Welt. Umgeben von kräftig bunten, intensiv duftenden Lilien, unter Schatten spendenden Bäumen, der Lärm der Straße ist auf einmal ganz weit weg, dringt nur noch wie durch Watte an mein Ohr. So unwirklich, dass ich für einen Moment überlege, ob ich doch viel zu früh dahingeschieden bin und jetzt an der Pforte zum Paradies stehe.
Tu ich natürlich nicht, und vor mir steht auch nicht Petrus, sondern eine hübsche junge Dame, die mich fragend ankuckt: „Bia?“
Und schon bin ich wieder in der Realität angekommen, die aber meiner Vorstellung vom Paradies durchaus recht nahekommt. Ein idyllischer kleiner Blumengarten, eine hübsche Dame, die mir Bier anbietet.
„Zwei“, bedeute ich ihr und winke nach meiner holden Ehefrau, die noch unschlüssig und unzufrieden an der Straße steht.
Während sie langsam näher kommt, sehe ich ihr Erstaunen. Genau wie ich hätte sie hier alles erwartet, eine Motorradwerkstatt, einen Schwarzhandel, eine Müllkippe oder ein Bordell, aber nicht diesen netten Biergarten.
Und da bekommen wir auch schon das Bier in die Hand gedrückt. Frisch gezapft aus einem kleinen Tank, gebraut vor wenigen Tagen erst auf der gammelig wirkenden Anlage vorne im Schaufenster.
Kritisch beäugen wir die Gläser. Schön bernsteinfarben, ganz leicht und gleichmäßig opak, obenauf ein kremiger, weißer Schaum. Wir riechen vorsichtig, es duftet nach Malz und ganz leicht nach kräuterigem Hopfen. Der erste Schluck: Ein wunderbares, frisches Bier. Nur niedrig gespundet, dafür aber mit rundem Aroma. Weiche Malzigkeit, eine nur dezente Bittere, schön ausgewogen. Schnell noch einen zweiten, größeren Schluck. Ein richtig gutes Bier! Würde in Franken oder in Tschechien überall in der ersten Liga mithalten können.
Augenblicke später nur muss die junge Dame erneut zur Theke flitzen, Nachschub holen. Gar zu lecker ist das Bier, gar zu gut tut es nach dem Fußweg durch den Staub.
Wir sitzen inmitten der Blütenpracht der Lilien, in dieser kleinen Oase und laben uns an ausgezeichnetem Bier. Das Beste, was wir bisher in HÃ Ná»™i bekommen haben. Am Nachbartisch denken das auch ein paar einheimische Geschäftsleute. Immer wieder flitzt die Kellnerin und holt Nachschub, und mit jeder Runde Bier, die sie heranträgt, steigt der Lärmpegel. Gelächter, lautes Geschrei, Gläserklirren. Man könnte meinen, es sei eine ganze Horde von Hunnen hier eingefallen, dabei sind es einfach nur sieben Vietnamesen mit großem Durst.
Von Idylle kann nun keine Rede mehr sein.
Die Dunkelheit ist hereingebrochen, und wir machen uns langsam wieder auf den Weg. Ein Blick zurück in die Einfahrt: Jetzt, romantisch erleuchtet, sieht der schmale Weg viel einladender aus als bei Tageslicht, und fröhliches Gelächter und klirrende Gläser weisen auch akustisch den Weg. Das schmutzige Schaufenster ist erleuchtet, das Sudwerk nun besser sichtbar. Schöner wird es davon nicht, aber man kann nun erkennen, dass es doch genutzt wird. Und was für ein Bier, das hier produziert wird. Hut ab!
Langsam laufen wir die Gasse entlang in Richtung Hauptstraße, und hinter uns grüßt nun auch hell erleuchtet die kleine Windmühle an der Gebäudefront, die der Brauerei ihren Namen gibt: The Windmill.
The Windmill ist täglich durchgehend ab dem späten Vormittag geöffnet. Oder wenn gerade jemand da ist. Gelegentlich, wenn zu viel getrunken worden ist, geht das Bier auch mal aus, dann hat man Pech gehabt und muss auf den nächsten Sud ein paar Tage warten. Zu erreichen ist die kleine Brauerei in etwa einer halben Stunde Fußweg vom See Hoà n Kiếm in südwestlicher Richtung. Origineller ist die Fahrt mit dem überfüllten, chaotischen Linienbus Nummer 49 für 7000 Äồng, etwa 30 Cent. Fährt man mit dem Motorradtaxi, sollte man vorher wissen, auf was man sich einlässt nicht nur auf Brandblasen an der Innenseite der Schenkel…
The Windmill
31 Äặng Trần Cồn
Äống Äa
10000 HÃ Ná»™i
Vietnam