Ein Restaurant. Ein Pub. Ein Museum. Eine Brauerei. Und das alles mit dem Leitthema Harley-Davidson. Unsere Neugier ist geweckt. Auf geht’s, in Richtung Otrokovice. Irgendwo im fernen Osten Tschechiens. Dort, wo auf der Landkarte eigentlich nicht mehr viel kommt. Höchstens noch das pittoreske Städtchen ZlÃn, aber dann ist auch wirklich Schluss.
Otrokovice also.
Wir rollen vor einem Ziegelgebäude aus; im typisch amerikanischen Stil grüßt uns ein großes Wirtshausschild, aufgepflanzt auf einen hohen, dünnen Mast: Harley Pub Minipivovar.
Im Hof vor dem Eingang zum Pub stehen die Motoräder der Gäste. Harleys natürlich. Fast schon trauen wir uns nicht, unseren kleinen Toyota Diesel daneben zu stellen. Obwohl er mittlerweile, mit fast 400.000 Kilometern auf dem Tacho, an Lärm und Erschütterung mit den Harleys fast mithalten kann. Zumindest, wenn der Motor kalt ist.
Das Harley Pub empfängt uns in typisch amerikanischem Stil. Bereits im Vorraum begrüßen uns zwei alte Zapfsäulen, sorgfältig renoviert und schön illuminiert, und dann betreten wir den Schankraum, der ein wenig an ein Diner erinnert. Große Öldosen hängen über der Bar, weitere Zapfsäulen stehen überall herum. Am Rand der Theke ein stationärer Fernsprecher, die Wände ansprechend mit alten Pickups bemalt. Schaut nett und einladend aus.
Wichtigstes Utensil in einer Brauerei ist natürlich das Sudwerk, und wir müssen zweimal hinsehen, um es zu erkennen. Eisenhaufen, Alteisen oder Eisenschwein nennen manche Harley-Davidson-Fahrer ihre Maschinen, und so ist es nur konsequent, dass die Sudkessel aus Edelstahl mit pechschwarzen, gusseisernen Platten verblendet sind. Wuchtiges, massives Eisen, mit dem Wappen des Pubs verziert. Sie bilden eine schützende Bastion vor dem Sudwerk. Davor eine rotweiße Zapfsäule und ein Motorrad. Eine Harley-Davidson aus einer neuen Baureihe. Kein öltropfendes Ungetüm, einer Dampfmaschine gleich, sondern eine gefällige und komfortable Maschine in dezentem Beige und Schwarz. Blitzsauber, liebevoll gepflegt.
Nur mit Mühe kann ich der Versuchung widerstehen, auf dem Sattel Platz zu nehmen… Rund zwanzig Jahre ist es jetzt her, dass ich mit dem Motorradfahren aufgehört habe, aber in Momenten wie diesem juckt es doch wieder ein wenig in der Gashand.
Ein kurzer Blick auf meine holde Ehefrau, und sie deutet nur stumm auf meine dicke Regenjacke und hält mir den Wetterbericht für die nächsten Tage auf dem Smartphone unter die Nase. Dauerregen, sechs Grad. Das Jucken in der Gashand lässt schlagartig nach.
„Weichei“, schießt es mir noch einmal durch den Kopf, aber dann gewinnt doch der Durst die Oberhand.
Wir suchen uns ein Plätzchen zwischen Coca-Cola-Automat und Esso-Zapfsäule, unter dem Bild des alten Pickups, und blättern durch die Speisekarte. Fünf Biersorten werden hier angeboten, alle nach Harley-Davidson-Motorrädern benannt vom leichten Topper mit 10° Stammwürze (und einem deutlichen Diacetyl-Aroma), über das Scat (11° und etwas weniger Diacetyl), das Panhead (11° und halbdunkel) bis zum Shovel (12° und diacetylfrei!) und dem King (13° und dunkel).
Keine Experimente also. Stattdessen gute und solide tschechische Braukunst. Obwohl das Pub erst am 27. November des letzten Jahres eröffnet hat, spiegelt sich die hier in Tschechien mit etwas Verspätung eintreffende Craftbier-Welle noch nicht im Angebot wieder.
Zu den süffigen Trinkbieren gibt es solide Kost. Viel Fleisch, scharf gewürzt, auf dass der Durst möglichst lange erhalten bleibe. Chicken Wings oder Burger, Steaks oder Rippchen. Dazu Pommes Frites oder Wedges mit viel gerösteten Zwiebeln. Und im Zweifelsfall immer auch mit einer ordentlichen Dosis Knoblauch. Auch beim Essen also: Keine Experimente.
Die Atmosphäre ist ungezwungen und die Gästeschar beschränkt sich beileibe nicht nur auf Motorrad-Rocker. Am Tisch nebenan scheint ein Enkel seine Oma zum Essen eingeladen zu haben, und die alte Dame macht mitnichten den Eindruck, sich hier nicht wohlzufühlen. Im Gegenteil. Lebendig äugt sie nach links und rechts, amüsiert sich über den Kuttenträger gegenüber genauso wie über den Krawattnik nebenan, der sein Essen wohl gerade in die kurze Pause zwischen zwei Geschäftsterminen geschoben hat. Dazu vertilgt sie ein, nein, sogar zwei große Biere.
Und so sitzen wir, kucken und schlucken, und ehe wir uns versehen, ist es bereits später Nachmittag. Das Museum im Nachbarraum wird geschlossen, wir hören, wie die Tür ins Schloss fällt und der Schlüssel herumgedreht wird. Verflixt, verpasst! Es bleibt also beim Bier und beim Essen die museale Motorradkultur kommt ein wenig zu kurz…
Das Harley Pub, Minibrauerei, Restaurant und Museum in einem, ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend bis in die Nacht geöffnet, kein Ruhetag. Das Museum ist von November bis März freitags, sonnabends und sonntags von 11:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, von April bis Oktober täglich außer montags von 11:00 bis 17:00 Uhr. Zu erreichen sind Brauerei und Pub bequem mit der Bahn der Bahnhof Otrokovice ist gerade einmal 150 m entfernt. Kommt man mit dem Auto (oder natürlich mit dem Motorrad), ist das Parken vor der Tür oder im Hof unkompliziert, man muss dann aber auf das Bier verzichten in Tschechien gilt 0,0‰ am Steuer.
Minipivovar, Restaurace a Muzeum Harley Pub
Dr. E. Beneše 512
765 02 Otrokovice
Tschechien