Es ist nur wenige Minuten her, dass die gewaltigen Kühltürme des umstrittenen südmährischen Kernkraftwerks Dukovany hinter uns im Rückspiegel verschwunden sind, und wir befinden uns wieder in der tiefsten Provinz. Winzige Sträßchen winden sich zwischen malerischen Hügeln; wir sehen Felder, Obstgärten, Dörfchen und immer wieder kleine Weiher und Seen. Die dominierende Technik des Kernkraftwerks und die in alle Richtungen führenden Hochspannungsleitungen scheinen unendlich weit weg.
Und schon taucht der nächste gewaltige Bau auf, das Wasserkraftwerk DaleÅ¡ice. Das kleine Flüsschen Iglava wird hier aufgestaut und die Turbinen des Kraftwerks erzeugen ein halbes Gigawatt Energie. Gleichzeitig ist ein Stausee entstanden, der zum Freizeitzentrum der Region geworden ist.
Aber auch hier: Nur wenige Kurven weiter, und die Großtechnik ist vergessen, man ist umgeben von einer kleinteiligen, beruhigenden Landschaft, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Vor uns taucht das Dörfchen DaleÅ¡ice auf, gerade mal 500 Einwohner. Aber, und das ist natürlich der Grund, warum wir hier in der tiefsten Provinz unterwegs sind, mit einer Brauerei, der Akciový Pivovar DaleÅ¡ice, a.s. Groß kann sie ja nicht sein, denken wir, denn auch wenn der Bierdurst der Tschechen legendär ist 500 Einwohner sind nicht wirklich viel, und selbst wenn jeder von ihnen jeden Tag ein Bier aus der Dorfbrauerei trinken würde, rechtfertigt das noch kein wirklich großes Sudwerk.
Rasch werden wir eines Besseren belehrt, als wir die Einfahrt zur Brauerei gefunden haben und auf das Gelände fahren. Weit mehr als nur eine kleine Brauscheune ist es. Wir finden einen kleinen Komplex mit Restaurant, Hotelbetrieb, Museum und Brauerei.
In DaleÅ¡ice ist seit dem sechzehnten Jahrhundert Bier gebraut worden, aber im Laufe des 20. Jahrhunderts kam die Bierproduktion völlig zum Erliegen. Anfang der Achtziger Jahre wurde in der stillgelegten Brauerei ein Film gedreht, basierend auf einer Novelle von Bohumil Hrabal: PostÅ™ižiny, oder in der englischen Version Cutting it Short. Für einen Moment rückte die Brauerei wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit, nur um danach wieder in ihren Dornröschenschlaf zu versinken.
1999 änderten sich die Eigentumsverhältnisse, die drei neuen (eigentlich ganz alten…) Eigentümer investierten kräftig, und seit 2002 wird hier wieder gebraut. Gleichzeitig entstand in der ehemaligen Tenne der Mälzerei ein gemütliches Restaurant, in den Seitenflügeln wurden Hotelzimmer eingerichtet, und der zentrale, historische Teil der Brauerei wurde in ein Museum der österreichisch-ungarischen Brauereigeschichte umgewandelt. Das neue Sudwerk steht nun im den Hof abschließenden Querriegel, der auch die beiden Hotelflügel miteinander verbindet.
Das Museum ist leider geschlossen, und die Tür zur Brauerei ebenfalls. Aber das Restaurant hat geöffnet, und uns empfängt eine wunderschöne, stilvolle Einrichtung. Die Ziegelgewölbe sind in einem warmen Terrakotta gestrichen, der Schankraum ist mit alten Biedermeierelementen dekoriert. Ein uraltes Fahrrad, ein Grammophon, alte Kleidung, Lederkoffer verleihen dem Raum eine sehr urige Atmosphäre.
Wir suchen uns einen Tisch an einem der Heizkörper draußen regnet es, es ist quasi über Nacht Herbst geworden, uns fröstelt. Aber hier drinnen: Kuschelig und gemütlich.
Zum leckeren Tagesgericht für kleines Geld bestelle ich mir zunächst ein leichtes Bier, das Osvald 10°. Ordentlich gehopft, helle Farbe. Es ist kräftig herb und gleichzeitig sehr schlank, vielleicht deshalb ein wenig unausgewogen, aber dennoch ein schönes Trinkbier.
Das DaleÅ¡ické 11° wird passend zum Hauptgang serviert, und hier stimmt alles. Ebenfalls knackig herb, man hat am Hopfen definitiv nicht gespart, aber gleichzeitig auch mit einem etwas kräftigeren Körper, und ganz ausgezeichnet ausbalanciert. Dem ersten großen Schluck folgt gleich ein zweiter und ein dritter. So muss ein Bier schmecken, wenn der Brauer Umsatz machen möchte ich kann gar nicht absetzen, sondern habe nach jedem Schluck sofort Lust auf den nächsten. Das wäre ein Bier, mit dem ich hier den ganzen Abend verbringen könnte.
Quasi als Dessert gönne ich mir aber noch die dritte Biersorte, das DaleÅ¡ické Májové 13°, ein kräftig malziges Bier in der Tradition der großen Märzenbiere. Für einen Maibock, die Assoziation liegt angesichts des Namens ja nahe, zu schwach, aber für ein Märzen sehr schön. Kraftvoll, etwas süßlich, zurückhaltender gehopft als die anderen beiden Biere. Lecker, aber kein Bier für große Mengen. Nach ein oder zwei großen Gläsern sättigt und ermüdet es.
Wir sitzen in der gemütlichen Stube, und sitzen, und sitzen. Schön ist es, angenehm ruhig. Die junge Dame im Service blitzschnell und unauffällig, unaufdringlich. Immer da, wenn man sie braucht, ohne zu stören. Die anderen Gäste ebenfalls recht ruhig. Es läuft keine Musik angenehm!
Ach, aber die Zeit. Sie ist viel zu schnell verflogen. Wir müssen ja weiter! Eigentlich wollten wir uns noch durchfragen, vielleicht einen Blick in die Brauerei werfen, möglichst auch durch das Museum gehen. Verflixt, es ist schon viel zu spät, und ein Termin drückt. Sauber die Zeit vertritschelt, beim guten Essen und beim noch viel besseren Bier. Also: Hier müssen wir definitiv noch einmal hin, denn das Museum hat unsere Neugierde geweckt. Für heute allerdings ist leider Schluss. Schade!
Das Restaurant der Akciový Pivovar DaleÅ¡ice, a.s. ist täglich ab 10:30 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Es bietet neben der regulären Karte auch preiswerte und leckere Tagesmenüs an. Das Museum ist nur für Gruppen von fünf bis zwanzig Personen zugänglich, gegebenenfalls kann man aber an der Hotelrezeption über den Zugang verhandeln. Erreichbar sind DaleÅ¡ice und seine Brauerei sinnvoll nur mit dem Auto. Zwar gibt es eine Busverbindung, sie ist aber extrem zeitaufwändig.
Akciový Pivovar Dalešice, a.s.
Dalešice 71
675 54 Dalešice
Tschechien