Pivovar NárodníPrahaCZE

„Es gibt zu viele Brauereien in Prag,“ stelle ich fest, und meiner Frau fällt vor Entsetzen fast das Bierglas aus der Hand.

„Wie bitte? Was hast Du gesagt?“ schaut sie mich ungläubig an. „Das hast Du jetzt nicht im Ernst gemeint, oder?“

„Naja, schau Dich doch mal um, wo sind wir denn hier?“ frage ich zurück und deute mit dem Finger auf die Speisekarte. Pivovar Národní steht groß dort geschrieben.

„In der Brauerei, zum Abendessen, hier wollten wir doch hin!“ lautet die Antwort.

Ach, wenn es denn nur so einfach wäre. Vor einer oder zwei Wochen schon hatte ich mir aus dem Internet wahllos ein paar Adressen von Prager Brauereien rausgesucht, die wir an diesem Wochenende besuchen wollten. Ein paar kenne ich schon, da gehe ich nicht noch mal hin, ein paar liegen zu weit draußen, und drei oder vier andere im Innenstadtbereich habe ich mir notiert. Und mir gemerkt, dass wir für die erste Brauerei an der Straßenbahnhaltestelle Národní Divadlo, Nationaltheater, aussteigen müssen.

Und genau so haben wir es gemacht. Wir stiegen am Národní Divadlo aus, und noch bevor ich nach dem Zettelchen mit den Adressen kramen konnte, hatte meine Frau die Brauerei schon entdeckt. „Da vorne, genau auf der anderen Straßenseite,“ hieß es, und eine Minute später saßen wir drin, machten es uns gemütlich, bestellten das erste Bier und die Speisekarte.

Und die Speisekarte war es, die mich stutzig machte. Der Name, das Logo, irgendwie kamen mir beide seltsam vor. Das war doch nicht das, was ich rausgesucht hatte? Verstohlen kramte ich mein Telefon vor, schaute auf den Stadtplan und stellte fest: Die Brauerei, zu der wir eigentlich gehen wollten, ist etwa 250 m nördlich von hier. Und die Pivovar Národní, die uns jetzt also gewissermaßen dazwischengekommen war, hatte ich mental überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt…

Klarer Fall also: Es gibt zu viele Brauereien in Prag. So ist das. Sonst würde man nicht alle Nase lang über eine nicht eingeplante Brauerei stolpern, die den Plan durcheinanderbringt.

MiniaturAber, es war ein angenehmes Stolpern. Der Kellner hatte uns schon ganz freundlich fließend dreisprachig in Tschechisch, Englisch und Deutsch begrüßt, wir hatten einen netten Tisch am Fenster gefunden, und die Atmosphäre war auch ganz prima.

Was man vom Bier jetzt nicht in diesem Maße sagen konnte. Lecker war es, süffig, aber doch ein wenig Dutzendware. Ein ungefiltertes Helles, ein Nefiltrovaný Ležák, und ein Halbdunkles, ein Polotmavý, wie es die Tschechen so lieben, haben wir getrunken. Das Helle mit einer recht kräftigen Diacetylnote (auch das typisch hier in Tschechien), das Halbdunkle leicht süßlich, sehr süffig, aber sonst unauffällig. Beides Biere zum nebenbei Trinken, ohne ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Biere, die erst dann wieder ins Bewusstsein des Gastes rücken, wenn sie ihn auf natürlichem Wege wieder verlassen wollen.

Das Essen dazu ganz ausgezeichnet. Der überall in Tschechien erhältliche gebackene Camembert, der Hermelin, mit feinen Speckstreifen umwickelt, dazu ein bisschen Preiselbeeren ein Gedicht. Wer glaubt, bei einem gebackenen Käse könne man nicht viel verkehrt machen, hat zwar recht, aber andererseits kann man bei ihm auch sehr viel ausdrücklich richtig machen, und dann wird dieses einfache Essen zum kleinen Festmenü!

Die auf Hochglanz polierte Brauerei steht, schön angestrahlt, in einer etwas engen Ecke der Platz ist knapp, Brauer und Technik müssen sich mit einem kleinen Winkelchen hinten im Lokal begnügen. Trotzdem ist sie liebevoll mit Gläsern voller Malz dekoriert, und natürlich darf hinten an der Wand die Tafel mit dem Sinnspruch Dej Bůh Å tÄ›stí, Gott gebe Glück, nicht fehlen. Keine tschechische Brauerei ohne dieses uralte Motto.

Die Pivovar Národní, nach der Straße benannt, aber National-Brauerei hört sich trotzdem gewaltig an, ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist sie bequem mit der Straßenbahnlinie 22, die direkt vor der Eingangstür hält Station Národní Divadlo, Nationaltheater.

Bilder

Pivovar Národní
Národní 8
110 00 Praha
Tschechien

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