Ein wenig unnatürlich wirkt die Landschaft, durch die ich seit einiger Zeit fahre. Wunderschöne kleine Seen, die Herbstsonne spiegelt sich im Wasser, rundherum kleine Rad- und Wanderwege. Dann und wann ein kleiner Zu- oder Abfluss. Aber irgendetwas stimmt nicht im Bild. Und erst nach einer Weile wird es deutlich: Die Seen sind nicht bis zum Rand gefüllt. Nun, das passiert in längeren Phasen der Trockenheit immer mal wieder, aber hier kommt hinzu, dass die Uferbefestigungen keine Spuren der vordem höheren Wasserspiegel aufweisen. Sie sind schlicht und einfach noch nie bis zum Rand gefüllt gewesen. Sie sind künstlich. Als hätte ein Kind eines Riesen kleine Löcher geschaufelt und sie nun langsam mit Wasser gefüllt.
Rund um Senftenberg in der Lausitz am Südrand Brandenburgs ist aus ehemaligen Tagebauen, gewaltigen Löchern in der Landschaft eine künstliche Seenplatte entstanden, der man schon in wenigen Jahren nicht mehr ansehen wird, dass sie künstlich ist. Mehrere Jahre dauert es zwar, bis sich die Seen gefüllt haben werden, aber wenn es dann soweit sein wird, wird es hier gewiss idyllisch sein.
Auch heute ist es schon sehr schön gemütlich gleite ich über die kleinen Sträßchen. Im Ort Senftenberg selbst taucht nach ein paar hundert Metern Kopfsteinpflaster ein gewaltiges Blockhaus vor mir auf das Hotel LéonWood der Lido Senftenberg. Das nach eigenen Angaben größte Blockhaus Europas. Gewaltige, leicht rötlich schimmernde Baumstämme sind wie in einem riesigen Holzbaukasten aufeinander gestapelt und miteinander verbunden worden, und entstanden ist ein Hotel mit zahllosen Zimmern und einem großen Restaurantbereich und einer Brauerei.
Schon von außen sehe ich die kupferglänzenden Sudkessel durch das Fenster; daneben steht ein einsamer Flaggenmast, an dem eine schon etwas zerzauste tschechische Flagge weht. Ich stelle mein Auto mit den tschechischen Kennzeichen, die es zurzeit trägt, neben den Flaggenmast und wundere mich über diese zufällige Koinzidenz.
Die Eingangshalle des Hotels empfängt mich in dem gleichen Blockhausstil wie die Außenfront des Gebäudes. Dicke und unverkleidete Baumstämme. Ein paar Schritte ins Restaurant, und vor mir liegt ein großer Gastraum. In der Mitte ein langer, freistehender Tisch, davor die Theke, an den Wänden kleine, mit Wilderer- und Trapper-Utensilien geschmückte Nischen mit jeweils einem oder zwei Tischen. Und am Stirnende des Raums, vor den großen Glasfenstern, die blitzblank polierte Brauerei der Firma Kaspar Schulz.
Kein Gast außer mir ist zur frühen Mittagszeit zu sehen, und vorsichtig frage ich die freundliche Bedienung, ob denn überhaupt schon geöffnet sei.
Selbstverständlich, heißt es, und auch die Küche sei schon geöffnet. Es sei halt Nebensaison, und da gebe es Tage, wo mittags so wie jetzt nichts los ist.
Entsprechend aufmerksam ist der Service eine Kellnerin ganz für mich allein.
Das Essen, eine rustikale Schlachtplatte, ist ausgezeichnet. Was es denn für Bier dazu gebe, möchte ich wissen. Pils und Kellerbier seien die beiden Sorten, die es derzeit gebe. Ich stutze und gebe innerlich zu, dass ich mit der Standardantwort Hell Dunkel Weizen gerechnet habe. Stattdessen Pils und Kellerbier. Auch nicht wirklich originell, allerdings.
Ich muss mich auf ein Bier beschränken und wähle das Kellerbier. Hellgelb, gleichmäßig trüb, steht es vor mir. Ein angenehmer, malziger Geruch, ein milder, nur sehr zurückhaltend gehopfter Geschmack. Ein fehlerfreies, aber leider langweiliges Bier. Für den Massenkonsum gebraut. Angesichts der Größe des Gastraums verständlich, dass hier seitens des Brauers an den großen Umsatz gedacht werden muss, für den Bier-Aficionado aber trotzdem etwas frustrierend.
Ich betrachte mir das Sudwerk etwas näher. Schmuck schaut es aus; ein paar Utensilien, unter anderem ein alter Metall-Bierkasten der Tegernseer Brauerei, stehen davor und verbreiten Gemütlichkeit. Alles, aber auch wirklich alles ist blitzsauber, blitzblank, wirkt, wie frisch aus dem Ei gepellt. Angeblich ist die 10-hl-Brauerei seit 2008 in Betrieb, aber man sieht es ihr definitiv nicht an alles sieht aus, als sei es gestern erst installiert worden.
Eine Gasthausbrauerei, wie sie sich der Urlauber hier im Senftenberger Seenland wünscht. Zentral gelegen, mit ausreichend Parkplätzen, rustikal-gemütlich, und ein Bier, dass nicht provoziert, sondern auch in größeren Mengen zum kräftigen Essen mundet. Und vor meinem inneren Auge sehe ich, wie der Gastraum, der nach wie vor nur einen Gast, mich, beherbergt, im Hochsommer mit zufrieden johlenden Gästen bis zum Bersten gefüllt ist und das Bier in Strömen fließt.
Das Lido Senftenberg / Hotel LéonWood ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet; kein Ruhetag. Zu erreichen ist es sinnvoll nur mit dem eigenen Auto. Parkmöglichkeiten gibt es reichlich direkt vor der Tür; nach zu heftigem Biergenuss kann man hier komfortabel übernachten.
Lido Senftenberg GbR
Natur- & Erlebnisresort
Steindamm 26
01 968 Senftenberg
Brandenburg
Deutschland