Es lohnt sich doch immer wieder, beim Bummel durch die Stadt die Augen aufzuhalten wie sonst kann man die kleinen Perlen am Wegesrande entdecken, von denen niemand noch nichts weiß…
So geschehen am 2. Oktober 2015 in der Prager Altstadt. Wie immer gut vorbereitet und mit einer Adressliste der hiesigen Brauereien ausgestattet, schlendere ich durch die kleinen Gässchen, gönne mir zwischen zwei bierigen Raststationen auch ein wenig Kultur und bewundere die historischen Gebäude links und rechts von mir.
Plötzlich eine winzige Tür in einem grauen, unauffälligen klassizistischen Altbau. Eine Kellertür nur. Zwei gelblich gestrichene Türflügel stehen einladend offen, zwei Stufen, direkt dahinter eine zweite Tür. Geschlossen, aber mit der Aufschrift „Brewery open“. Und auf dem Türflügel steht Pivovar U DobÅ™enských.
Eine Brauerei? Hier? In dieser Straße? Das habe ich gar nicht auf dem Plan!
Natürlich öffne ich die Tür sofort und stehe auf einer kleinen Plattform. Eine schmale Treppe führt hinunter in den Keller, und direkt unter mir stehen die niegelnagelneuen, blitzeblanken Sudkessel und Gärtanks. Daneben eine winzige Theke, und links davon ein paar Tische.
Und hinter den Tischen eine zweite Treppe, es geht noch tiefer, und hier in den ganz tiefen Kellergewölben finden sich weitere Sitzecken, in denen noch viel mehr Gäste Platz finden.
Fröhliches Gelächter, Gespräche, Gläserklirren. Im Nu steht die junge Kellnerin neben mir und fragt nach meinen Wünschen. Und als hätte sie die unvermeidliche Frage, die jetzt kommen muss („Was haben Sie denn im Ausschank?“) schon geahnt, erläutert sie mir, dass es derzeit drei Biere gebe. Mehr noch nicht, denn erstens sei die Brauerei winzig klein, wie ich ja sehen könne, und zweitens habe man vor drei Monaten erst geöffnet, und das Angebot würde sich Schritt für Schritt entwickeln.
Aber ich werde gewiss nicht enttäuscht sein, fährt sie weiter fort, denn es seien besondere Biere. Und schelmisch schaut sie mich an, und ich frage mich jetzt wirklich, ob sie Gedanken lesen kann natürlich gebe es die Biere auch in kleinen 0,25-l-Gläsern, so dass ich ganz gewiss alle probieren könne.
Das Tribulus, ein mit 14°P leicht stärker als ein normales Pils eingebrautes, stark gehopftes Helles ist das Standardbier hier. Knackig herb, schön hopfig aromatisch, mit einem leicht grasigen Aroma. Solide. Zum Weitertrinken anregen.
Und zwei Spezialitäten, die den deutschen Apologeten des Reinheitsgebots das Wasser in die Augen treiben würden. Und sollten beweisen sie doch, wie mit rein natürlichen Zutaten ganz wunderbare Biere gebraut werden können. Auch und besonders jenseits des unsäglichen Reinheitsgebots. Ein leichtes (11°P) Summer Ale mit einem Hauch von Minze, und ein tiefschwarzes Stout mit Salbei. Ebenfalls nur ein Hauch Salbei, keinesfalls dominant und medizinisch schmeckend, sondern nur der Hauch der Ahnung einer Andeutung, ganz dezent. Wunderbar! Ein wirklich leckeres Degustationsbier. Wenn ich auch beim ersten Lesen der Bierkarte stutzen musste hatte ich doch beim Ãœberfliegen statt Salvia (Salbei) Saliva gelesen, Speichel also, und überlegte schon fast, ob es sich um ein Bier nach Art der mit dem im menschlichen Speichel enthaltenen Ptyalin zubereiteten südamerikanischen Hirse- und Maisbiere handeln würde… Aber so weit vom Reinheitsgebot und vom europäischen Verständnis eines richtigen Biers wollte man sich hier dann doch wohl nicht entfernen.
Ich genieße die Biere und die außerordentlich angenehme, entspannende Atmosphäre in dieser winzigen und nagelneuen Brauerei, und ich freue mich, dass ich die Augen offen gehalten habe, die kleine Kellertür nicht übersehen habe.
Pivovar U DobÅ™enských ist täglich von 16:00 Uhr bis Mitternacht durchgehend geöffnet und bietet neben den vor Ort gebrauten Bieren auch tschechische und österreich-ungarische Küche an. Sie befindet sich mitten in der Prager Altstadt und ist somit zu Fuß ausgezeichnet zu erreichen.
Pivovar U Dobřenských
U Dobřenských 3
110 00 Praha
Tschechien