Fröhlich lacht mich der junge Tscheche an und schiebt sich mit zwei großen Plastikbechern eines hellen, leichten Lagerbiers an mir vorbei. Er setzt sich an den Nachbartisch, und gemeinsam mit seinen Freunden beginnt er, zu trinken.
Wir sitzen im Schatten, unter einem Vordach im Hof der ehemaligen, mittlerweile leider stillgelegten Brauerei in Rosice. Unter dem Namen Setkánà Pivovarů findet hier heute, am 18. Juli 2015, ein kleines Bierfestival statt. Acht regionale Brauereien aus dem Großraum Brünn beziehungsweise der nahen Slowakei haben hier ihre Stände aufgebaut.
Ich stehe auf, um mir eine erste Bierprobe zu holen. Der junge Tscheche vom Nachbartisch kommt mir mit zwei großen Plastikbechern entgegen; das Bier scheint diesmal etwas dunkler zu sein. Nach einigem Nachdenken entscheide ich mich zunächst für ein recht leichtes Bier, ein elfgrädiges Helles der Slavkovský Pivovar mit dem eindrucksvollen Namen Titanic. Ich schnuppere an dem Becher ein feines Hopfenaroma steigt mir in die Nase. Klassischer Aromahopfen, ein wenig grasig-heuig, sehr dezent.
Während ich zu unserem Platz zurückgehe, überholt mich der Tscheche, Schwarzbier scheint es zu sein, was er jetzt trägt.
Gemütlich verkoste ich mein Helles, freue mich an der unauffälligen, dezenten und doch stets präsenten und sauberen Hopfenherbe. Kaum Diacetyl, eigentlich untypisch für Tschechien, denke ich, und sehe unserem tschechischen Tischnachbarn nach, der schon wieder mit zwei großen Plastikbechern Bier in der Hand vorübergeht. Aber trotzdem, auch ohne Diacetyl, ein sehr feines Bier. Vielleicht sogar gerade deswegen.
Das Thermometer zeigt unbarmherzige 36°. Im Schatten natürlich. Gleichwohl füllt sich der Innenhof nach und nach. Die Plätze im Schatten werden langsam knapp, wir sind froh, so früh gekommen zu sein.
Ich muss einmal quer über diesen Innenhof, durch die pralle Sonne, um mir mein nächstes Bier zu holen, ein IPA der 2007 gegründeten Brauerei Qásek. Sechzehn Prozent Stammwürze und eine Hopfennase, die schon zu spüren ist, während die freundliche Dame das Bier noch einschenkt. Zitrusaromen, aber auch reife Südfrüchte und im Hintergrund ein paar kernige, harzige, fast schon erdige Terpen-Noten. Es scheint auch dem Tschechen von nebenan zu gefallen er steht neben mir und lässt sich zwei große Plastikbecher des IPAs einschenken.
Vorne auf der Bühne beginnen die Vorbereitungen für den Live-Auftritt einer Liedermacherin. Während sie ihre Gitarre stimmt, wird über die Lautsprecher ein Interview mit der tschechischen Beeracademy übertragen. Es geht ums Hausbrauen, so viel kann ich verstehen. Ähnlich wie in Deutschland scheint auch hier die steuerfreie Obergrenze bei zweihundert Litern pro Jahr zu liegen. Gefühlt die Hälfte dieser Menge hat der junge Tscheche bereits an mir vorbeigetragen, als er mich ob meiner etwas verkrampften Konzentration auf den Vortrag in einer fremden Sprache angrinst.
Die Kombination leerer Magen, 36° Hitze und immerhin schon 600 ml Bier macht mir zu schaffen. Meine Frau und ich entscheiden: Jetzt gibt es erstmal was zu essen. Während der Tscheche zum Stand der Brauerei Oslavany läuft, gehe ich stattdessen hinüber zum Grill. Leckere Nackensteaks, dazu frisch gebackenes Kümmelbrot, Salzgurken und Meerrettich. Wunderbar.
Ich fühle mich ausreichend gestärkt für ein weiteres kleines Bier und schleppe mich durch die Gluthitze zum Stand der HolÃÄsky Pivovar Wywar aus der Slowakei, wo ich nicht nur unseren Tischnachbarn treffe, der gerade Nachschub zu holen scheint, sondern mir auch ein Lianka, ein dreizehngrädiges American Amber Ale bestelle. „Aber ein Kleines, bitte! Und ein Wasser dazu, für meine Frau!“ Tischnachbar und Barfrau schauen mich zweifelnd an, zögernd bekomme ich, was ich bestellt habe.
Ein Spießrutenlauf, mit dem Glas Wasser zurück zum Tisch. „Was will der denn damit? Gleich holt er noch ein Stück Seife und ein Handtuch aus dem Rucksack!“ scheinen die amüsierten Blicke der anderen Gäste zu sagen.
Das American Amber Ale ist ein ausgezeichnetes Bier, aber alles andere als ein Amber. Tiefschwarz, röstig, mit knallenden Hopfennoten. Eher ein Cascadian Black Ale. Aber richtig gut.
Während ich schnuppere und in winzigen Schlucken genieße, bekomme ich das Gefühl, dass unser freundlicher Nachbar zu kämpfen beginnt. Er geht zusehends langsamer, hat mittlerweile einen hochroten Kopf. Probleme? Es würde mich nicht wundern.
Ein Blick auf die Uhr. Es ist später Nachmittag, wir haben heute Abend noch anderes vor. Ein kleines Bierchen geht noch, zum Abschluss, aber dann muss leider Schluss sein. Ich hole mir ein Polotmavé, also ein Halbdunkles, von der Hradnà Pivovar in HustopeÄe. Recht leicht wieder, gerade mal elf Prozent Stammwürze. Etwas Klassisches zum Abschluss für heute. Schnaufend trägt der Tscheche zwei große Becher an mir vorbei, keucht, schwitzt.
Wunderbar. Schön war der Nachmittag gewesen. Feine Biere, eine gemütliche Atmosphäre, leckeres Essen, gute Musik, ein Bombenwetter. Eigentlich hat alles gestimmt. Gut gelaunt schlendern wir zum Ausgang, langsam geht es in Richtung Auto.
Was macht eigentlich unser tschechischer Freund? Ach, da ist er ja. Nanu, kein roter Kopf mehr, keine müden Beine mehr? Auch das Schnaufen ist wieder vorbei? Er hat die Lösung für sein Problem gefunden. Strahlend trägt er ein Tablett mit einem Dutzend großen Plastikbechern. Kaum noch Lauferei bei dieser Hitze.
Alles wird gut!
Das kleine Bierfestival Setkánà Pivovarů (Treffen der Brauereien) oder auch Setkánà Malých Pivovarů (Treffen der kleinen Brauereien) versammelt seit 2006 jedes Jahr im Juli im Hof der alten Brauerei Rosice acht bis zehn Kleinbrauereien. Bei Livemusik und Unterhaltungsaufführungen auf der Bühne werden rund dreißig bis vierzig verschiedene Biere ausgeschenkt. Probiermengen gibt es nicht, ein kleines Bier hat 0,3 l. Das Festival öffnet gegen 13:00 Uhr und endet irgendwann so gegen Mitternacht. Parken kann man auf einem halböffentlichen Parkplatz etwa 300 m vom Eingang entfernt; der Eintritt beträgt 80.- CZK pro Person.
Setkánà Pivovarů
ulice 1. Května 9
665 01 Rosice
Tschechien