Als sich das kleine Bergsträßchen durch Wiesen und Wälder langsam höher windet, vorbei an einem kleinen Bachlauf mit idyllischen Wasserfällen, durch Weiden mit braunen Kühen, bekomme ich das Gefühl, als müsse hinter der nächsten Kurve unbedingt die Hütte vom Alm-Öhi auftauchen, und Heidi und Peter müssten mit ihren Ziegen über die vom Löwenzahn gelb leuchtende Wiese gelaufen kommen.
Aber wir sind nicht in der Schweiz, sondern in den Allgäuer Alpen, direkt hinter dem Örtchen Kranzegg im Allgäu. Und vor uns liegt auch nicht die Hütte vom Alm-Öhi, sondern die ehemalige Station vom Skilift, in der sich seit 2014 eine kleine Brauerei befindet, und zwar die nach eigenen Angaben höchstgelegene Privatbrauerei Deutschlands, das BernardiBräu.
So richtig offiziell ist sie heute, am 4. Mai 2015, noch gar nicht richtig eröffnet, obwohl schon gebraut wird und natürlich der Bierverkauf schon angelaufen ist. Aber die große Eröffnungsfeier ist erst für den 14. Mai, den Himmelfahrtstag, geplant mit Hoffest, Gaudi und Livemusik. Was mich natürlich trotzdem nicht davon abhält, mich mit Bernard Göhl, dem Inhaber und Braumeister zu verabreden.
„Ich bin zwar Diplom-Braumeister und habe nach meiner Ausbildung in München anschließend in Weihenstephan studiert, aber hauptberuflich arbeite ich zur Zeit in der Abfülltechnik. Und da ich das Brauen vermisse, habe ich nebenher die kleine Brauerei hier aufgebaut.“, erzählt Bernhard, während wir die Treppe zum Sudhaus hochgehen. „Angefangen hat es mit einem kleinen 80-l-Sudwerk, und mittlerweile habe ich eine 5-hl-Anlage, die ich mir in großen Teilen selbst aufgebaut habe.“
Sehr solide schaut die Technik aus. Zwei kupferne Geräte der Firma MBT bilden das Rückgrat, alles andere rundherum hat Berni selbst konstruiert. „Eine wunderschöne Patina, oder?“, fragt er mich und streicht über die Sudpfanne. Und in der Tat, das in allen Farben schimmernde und irisierende Kupfer wirkt viel schöner und lebendiger, als manche steril und seelenlos auf Hochglanz polierte Schauanlage. Es ist blitzsauber, das sieht man, aber die Spuren der Arbeit sind doch zu sehen. Hier ist ein wenig saure, dort eher basische Flüssigkeit übergelaufen und hat ihre Spuren auf dem Kupfer hinterlassen. Nach sorgfältigem Putzen bleibt die ganz leicht eingeätzte Spur sichtbar und verleiht dem Sudwerk Leben.
Im Nachbarraum stehen die Gärbehälter. Offene Gärung, das ist Ehrensache. Und daneben wiederum in zwei Reihen die kleinen ZKGs, in denen das Bier der BernardiBräu bis zur Abfüllreife lagert. Blitzsauber und zweckmäßig.
Im Stockwerk darunter die Abfüllanlage. Ein kleine Gruber-Anlage, auf der Berni seine Spezialbiere und die ungewöhnlichen Flaschengrößen abfüllt; das Brot-und-Butter-Bier, also das Gigglstuinar Märzen, das regelmäßig in größeren Mengen gebraut wird, wird bei einer befreundeten Brauerei abgefüllt.
Und nebenan, in einer großen Scheune, wird das abgefüllte Bier gelagert und verkauft. „Neben dem Märzen, das hier überall steht, braue ich ein dunkles Bockbier, das ich in Ein-Liter-Flaschen abfülle, schau her! Dann gibt es immer mal wieder ein besonderes Bier, zum Beispiel das Alms, ein Weizenbock mit rund 7% Alkohol. Das gibt’s in kleinen Flaschen, zum bewussten Genießen. Und hier liegen schon die Etiketten für das Gigglstuinar Weizen das wird das zweite Standbein der Brauerei!“
Bernhard erzählt von seinen Plänen, und man merkt, dass sich hier jemand seinen ganz persönlichen Traum erfüllt. Im Brauen geht er auf da macht es überhaupt nichts, dass das Ganze (noch?) als Nebenerwerb läuft und die Abende und Wochenenden drangegeben werden müssen. Neben all dem findet Bernard auch noch Zeit, gelegentlich auf Volksfesten ein Schaubrauen zu veranstalten, mit einer kleinen, aber sehr hübschen Anlage. In Tracht steht er dann da und rührt im kupfernen Maischebottich; daneben der hölzerne Läuterbottich, das Ganze auf einem Ziegelstein-Sockel und, Zugeständnis an die Mobilität, auf Rollen.
Das Brauereidorf Rettenberg, das seit vielen Jahrzehnten damit wirbt, zwei erfolgreiche Allgäuer Brauereien zu beherbergen, hat eine dritte Brauerei dazu bekommen. Viel kleiner als die anderen beiden, aber mit viel Herzblut. Und idyllisch gelegen. Oberhalb des Ortes, umgeben von Wiesen und Wäldern, inmitten der Natur. Wenn jetzt der Wettergott für den Himmelfahrtstag noch mitspielt, dann steht einer zünftigen offiziellen Eröffnung und einem großen Erfolg in der Region nichts mehr im Weg!
Das BernardiBräu ist mittwochs und freitags von 16:00 bis 19:00 Uhr und sonnabends von 09:00 bis 12:00 Uhr für den Rampenverkauf geöffnet. Möchte man zu anderen Zeiten Bier kaufen, sollte man unbedingt vorher anrufen; da es sich noch um einen Nebenerwerbsbetrieb handelt, ist nicht immer garantiert, dass jemand da ist. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Brauerei nicht wirklich gut zu erreichen selbst wenn man bis Kranzegg mit dem Bus fährt, hat man noch eine ordentliche Wanderung das Bergsträßchen hinauf vor sich. Und auch mit dem Rad sollte man stramme Wadeln vorweisen können. Es gibt halt Situationen, in denen das Auto fast alternativlos ist.
BernardiBräu
Kammeregger Weg 7
87 549 Rettenberg OT Kranzegg
Bayern
Deutschland