Wie viele Jahre schon reise ich durch Deutschland und besuche Brauereien. Und selbst wenn es ein aussichtsloses Unterfangen wäre, zu versuchen, alle Brauereien einmal anzufahren und das Bier vor Ort zu verkosten, so maße ich mir doch eigentlich an, wenigstens von allen, oder fast allen Brauereien schon einmal gehört zu haben. Aber gelegentlich kommt es vor, dass ich irgendwo im Internet einen Hinweis finde, von einem Eingeweihten einen absoluten Geheimtipp zugeraunt bekomme oder zufällig über eine Adresse stolpere, die mir völlig neu ist.
So, wie im Fall der Bärenbräu in Neuhausen.
Und umso schlimmer, wenn sich dann herausstellt, dass diese Brauerei schon seit zwanzig Jahren existiert, schlimmer noch, aus einer noch viel älteren Wirtschaft hervorgegangen ist. Und dazu noch ein exzellentes Bier braut, das in der Region seinesgleichen sucht.
Da frage ich mich dann immer, wie konnte das passieren? Jahrelang ahnungslos auf der A7 hier vorbeigebraust…
Ganz früher hieß das Gasthaus in dem kleinen Dorf Neuhausen „Zur Traube“, aber da sein Wirt Josef Behr hieß, sprach man allenthalben immer nur vom Behrenwirt. Als die Wirtschaft dann 1996 einen neuen Eigner bekam, von Grund auf renoviert wurde und in eine Gasthausbrauerei umgewandelt wurde, lag es natürlich nahe, sich einerseits vom etwas in die (Wein-)Irre führenden Namen „Zur Traube“ zu trennen und andererseits die im Ort verwendete Bezeichnung aufzunehmen. Der neue Name „Bärenwirt“ war geboren, und als Bärenbräu firmiert die kleine Brauerei bis heute.
Ein kleines Sudhaus im Nebengebäude, ein Biergarten rund um das Hauptgebäude, ein kleiner Parkplatz, ein paar Schatten spendende Bäume das ist das Bärenbräu. Auf einem kleinen, etwas schmucklos, aber sehr ordentlich wirkendem 10-hl-Sudwerk entstehen hier geniale Biere.
Als wir am 1. Mai 2015, einem absolut vertraulichem Geheimtipp folgend, hier einkehrten, hätte eigentlich Achtung, Wortspiel! der Bär los sein sollen im Biergarten. Livemusik war angekündigt, und eine tolle Feier. Stattdessen: Strömender Regen. Niemand draußen, und drinnen natürlich dann auch nicht wirklich viel. Bei diesem Hundewetter geht offensichtlich niemand freiwillig vor die Tür, und scheinbar auch nicht ins Wirtshaus.
Schade. Gerade so kleine Dorfbetriebe tun mir in einer solchen Situation immer leid, wenn viel in die Vorbereitung investiert worden ist, und dann der Wettergott einen dicken Strich durch die Rechnung macht.
Wir ließen uns aber nicht abschrecken. Der Blick in die Speise- und Getränkekarte ließ hoffen: Viel deftige Hausmannskost zu niedrigen Preisen, und vier Sorten Bier. Und die Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. Die Hausmacherplatte und das Haxenfleisch mundeten ganz ausgezeichnet, und die Biere waren, nun, ich schrieb es oben schon, genial.
Den Auftakt machte das Helle. Ein naturtrübes, herrlich würziges Bier, dessen feine und dezente Diacetylnote, eigentlich ja ein absolutes No Go, ganz sympathisch herüberkam. Tja, ich war gerade ein paar Tage in Tschechien gewesen, wo das Diacetyl im Bier etwas völlig Normales ist; hier in Deutschland gilt es aber gemeinhin und nicht ganz zu Unrecht als Geschmacksfehler. Trotzdem, hier passte es. Ein feines Bier!
Als nächstes das Weizen. Ãœberraschend schwach gespundet, sehr süffig. Feine Aprikosennoten, ein Hauch Kümmel und Gewürznelke ein ungewöhnliches Bier, gerade ob der geringen Spundung, aber sehr lecker, sehr gut trinkbar.
Als nächstes das Römer Türmle, das einzige Bier im Angebot mit einem eigenen Namen. Und es hat es verdient, besonders benannt zu werden. Ein Märzen, wie es nur wenige andere gibt. Leicht karamellig im Duft und im Antrunk, schwach gespundet, zart und weich; sehr vollmundig und samtig im Abgang. Ein Bier für den großen, gemächlich zu löschenden Durst. Ein Bier, bei dem man Stunden sitzen kann, eines nach dem anderen trinken. Und dann noch eins, noch eins und noch eins.
Während ich von diesen ersten Bieren bei Facebook zu schwärmen begann, erhielt ich gleich die ersten Reaktionen: Den Bock musst Du probieren, den Bock!
Ja, ja, liebe Online-Freunde, ja doch. Aber doch nicht gleich zu Anfang!
Der Bock also.
Kupferfarben, klar, kremiger Schaum. Malziger Geruch, intensiv. Der erste Schluck seidenweich, voll und rund. Geradezu kremige Konsistenz im Mund. Ein Bier zum Abbeißen. Nah dem Schluck ein lange haftendes Malzaroma, ein runder, Nachgeschmack, kaum Bittere. Nicht alkoholisch, aber man merkt den Alkoholgehalt nach ein paar Schlucken doch deutlich an den sich langsam rötenden Wangen. Wunderbar. Das richtige Bier, um das Sauwetter draußen zu kompensieren.
Warum, warum nur habe ich bisher nicht gewusst, dass hier, gerade einmal zwei Minuten von der A7 entfernt, ein solches Bockbier gebraut wird?
„Frau Wirtin, davon hätte ich gerne ein paar Flaschen mitgenommen. Für mich und meine Frau, und wer immer zu Besuch kommt und einmal ein richtig gutes Bockbier probieren möchte!“
Ach, hätte ich doch nur nicht gefragt…
„Das Bockbier ist das einzige, das wir nicht in der Flasche verkaufen“, beschied die freundliche Kellnerin mir bedauernd, aber bestimmt.
Und ich trollte mich.
Betrübt.
Ohne Bockbier…
Der Bärenwirt in Neuhausen ist täglich ab 11:00 Uhr durchgehend geöffnet. Nur von Oktober bis April ist montags Ruhetag, in der schönen Jahreszeit ist täglich geöffnet. Mit dem Auto braucht man nur zwei bis drei Minuten von der Autobahn A7 und kann direkt an der Brauerei gratis parken. Öffentliche Verkehrsmittel habe ich keine entdecken können ich befürchte, hier braucht man einen Chauffeur, der kein Bier mag…
Bärenbräu Neuhausen
Hohlgasse 2
89 291 Holzheim OT Neuhausen
Bayern
Deutschland