„Vier Tage zu spät!“, denke ich mir, als ich den schon dreiviertelvollen Mond am Abendhimmel des 1. März 2015 über Heppenheim leuchten sehe. Der Halbe Mond wäre am Mittwoch gewesen… Und doch ich folge der Neon-Reklame Halber Mond und betrete den alten Gutshof, der heute als Hotel, Tagungsraum, Restaurant und natürlich, sonst wäre ich wohl nicht hier… als Brauerei dient.
Ein etwas kahles, kühl wirkendes, weißes Treppenhaus, und direkt dahinter das kupferne Sudwerk. Eine recht kleine Anlage der Firma Jacob Carl, zwei Geräte, mit einer Ausschlagmenge von 2 hl. Ein wenig schmucklos steht sie da, auf ihrem Podest. Ein paar kleine Gläschen mit Malzproben, eine Hopfenranke aus Plastik.
Linker Hand dann die Kutscherstube, ein etwas nüchtern wirkendes, nicht unelegantes Restaurant, dessen eher gediegene Ausstrahlung so gar nicht zu dem rustikalen Namen passt. „Kutscherstube“, da hätte ich mir doch eher dicke Holzbalken, altes, wuchtiges Mobiliar, eine niedrige Decke vorgestellt. Stattdessen eher feine Eleganz.
Die gleiche Kühle in den Regalen hinter der Bar. Einzelne Wein-, Sekt- und Spirituosen-Flaschen in weißen Regalfächern. Davor die kupferne Zapfanlage. Auf die Frage, was es denn für Biere gebe, kommt die stolze Antwort: „Drei Stück alle bei uns selbst gebraut!“ Die junge Dame legt Wert darauf, dass dem Gast das auch bewusst ist, falls er nicht bemerkt haben soll, um was es sich bei der kupfernen Installation, an der er am Eingang gerade entlang gegangen ist, gehandelt haben sollte. Drei, die magische Zahl der deutschen Gasthausbrauerei. Und in der Tat: „Ein helles, ungefiltertes Kellerpils, ein Schwarzbier und ein Hefeweizen!“ fährt sie vor und bietet mir also das klassische Brauhaus-Triplett an.
Zum Glück für den Autofahrer gibt es auch kleine 200 ml Gläser, so dass es zum Essen wenigstens ein Pröbchen von zwei aus drei sein darf.
Das Kellerpils schmeckt angenehm frisch und schön herb. Nichts, was vor Begeisterung oder Exklusivität die Schuhe auszieht, aber ein grundsolides Alltagsbier gegen den täglichen Durst. Schön!
Das Schwarzbier hingegen enttäuscht. Statt schwarz ist es gerade mal mittelbraun, und außer einem ganz leicht röstigen Duft lässt es jegliches Aroma vermissen. Hopfen? Fehlanzeige. Malz? Hm… Der erste Schluck: Wässrig. Keine Geschmacksfehler, das nicht, eher schon gar kein richtiger Geschmack, die Absenz jeglichen bleibenden Eindrucks. Schade. Gehässig könnte man sagen, hier sei ein Wasserfärber unterwegs gewesen, aber vielleicht ist es auch nur ein Zugeständnis an die eher weintrinkende Kundschaft hier in der Region, die von zu intensivem Malzgeschmack vielleicht abgestoßen werden könnte?
Ich weiß es nicht.
Das Essen scheint gut zu sein. Eine recht kurze Speisekarte mit klassischen und regionalen Gerichten. Ich entscheide mich sehr regional für einen Kochkäse mit Musik, das heißt mit sauer eingelegten Zwiebeln und viel Kümmel. Lecker, und appetitlich arrangiert.
Zum Abschluss meines Besuchs sehe ich mich noch einmal sinnierend um. Kühle Eleganz, ein bisschen Geschäftshotel-Atmosphäre. Eine große Weinauswahl, viele Cocktails, ordentliches Essen. Das Bier und die Brauerei sie wirken ein wenig wie ein Fremdkörper in diesem Ambiente.
Aber immerhin: Eine Brauerei mitten im Weingebiet!
Der alte Gutshof, der den Halben Mond beherbergt, stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert, und spätestens im 19.Jahrhundert ist er auch als Gasthof unter dem Namen Halber Mond bekannt. Nach einem Brand 1911 wird er komplett neu erbaut, erneut bis in die siebziger Jahre als Gasthof betrieben, und ab 1975 dient er als Bürgerhaus der Stadt Heppenheim. Nach gründlicher Renovierung wurde er dann 2011 als Hotel, Restaurant und Brauerei wieder in seiner ursprünglichen Bestimmung eröffnet.
Die Kutscherstube, in der auch das Sudwerk steht, ist täglich von 17:00 bis 23:00 Uhr geöffnet, sonntags und feiertags ab 11:00 Uhr bis 21:00 Uhr. In der Nebenstraße gegenüber, etwa 100 m entfernt, befindet sich ein großer, sonntags gebührenfreier Parkplatz, so dass die Anreise problemlos mit dem Auto erfolgen kann. Und wer vom hier gebrauten Bier zu viel erwischt hat, kann direkt im Halben Mond auch übernachten.
Halber Mond Restaurant GmbH & Co. KG
Ludwigstraße 5
64 646 Heppenheim
Hessen
Deutschland