Was macht eigentlich gute Bier-Gastronomie aus? Conrad Seidls Bier-Guide geht seit nunmehr 10 Jahren dieser Frage für Österreichs Gastronomie nach. Vor einigen Jahren versuchte er auch deutsche Gaststätten in dieses Nachschlagewerk zu integrieren, was aber bisher noch nicht vollzogen wurde. Man mag sich fragen, warum. Sind es zu viele? Gibt es gar keine?
Ohne Frage ist Bier das wichtigste Getränk in der deutschen Gastronomie. Dabei steht Bier für den Inbegriff von Gastlichkeit und auch manchmal für Trendfähigkeit. Genuss spielt hier eine untergeordnete Rolle, so zeigt sich Bier in der Regel als der stille und charakterlose Begleiter eines Gaststättenbesuchs und wird häufig geordert, wenn einem nichts Besseres ins Auge fällt.
Dabei gibt es durchaus gute Bier-Gastronomien in Deutschland, die uns inzwischen flächendeckend zur Verfügung stehen: Gasthausbrauereien. Schätzungsweise bereits 400 der ca. 1300 Brauereien sind Gasthausbrauereien, wo das konsumierte Bier auch tatsächlich vorort hergestellt wird Tendenz steigend.
Eine gute Bier-Gastronomie kann aber auch durch andere Kriterien definiert werden:
- erkennbare Eigenständigkeit der Entscheidung des Gastronoms, welches Bier angeboten wird. Dies ist ein ganz grundlegendes Erkennungsmerkmal und basiert auf einer bewussten und gut informierten Entscheidung seitens des Betreibers. Dies kann sich an qualitativen Gesichtspunkten orientieren, an dem Attribut der Exklusivität („anderes Bier als mein Nachbar“) oder an der persönlichen Vorliebe des Gastronoms.
- Breite des Sortiments: Belgische Cafés sind hier gute Beispiele, wie breit Bier angeboten werden kann. Dieses Kriterium setzt allerdings voraus, dass man Flaschenbier von vorherein als mindestens gleichwertig mit Fassbier sieht
- Interesse an Neuigkeiten und saisonalen Angeboten: Jede bessere Gastronomie bietet nach saisonalen Gesichtspunkten oder auch auf Wochenbasis unterschiedliche Gerichte an, also warum nicht mit Getränken, bzw. speziell mit Bier regelmäßig variieren? Bier hat einen ganz ausgeprägt saisonalen Bezug.
Es sind aber in der etablierten Gastronomie immer wieder ähnliche Mechanismen, die es verhindern, dass eine Eigenständigkeit beim Bierangebot und damit ein transparenter Handel entstehen kann: Kreditgewährung zur Bindung an eine Biermarke, gefühlte Minderwertigkeit von Flaschenbier, mangelnde Information über Bier und deren Einsatzmöglichkeiten und nicht zuletzt eine häufige Gleichgültigkeit seitens des Verbrauchers. Löbliche Ausnahmen sind neben den vielen guten Gasthausbrauereien z.B. das Café Abseits in Bamberg, sowie das Pappenheimer in Hamburg.