Am 31. August 2009 fand im Foyer des Theaters Hamburger Sprechwerk eine ganz besondere Premiere statt: Pub-erfahrenen Bierkennern ist Real Ale aus Großbritannien ein Begriff, ausgesprochen selten ist es allerdings diese britische Spezialität auf dem Kontinent probieren zu können.
Real Ale ist Objekt der Förderung der größten Bierkonsumentenvereinigung der Welt der Campaign for Real Ale (CAMRA). Mit mittlerweile fast 100.000 Mitgliedern ist die Organisation ein bestimmender Faktor, was Briten an Bier geboten bekommen und vorallendingen, wie britischer Bierkultur in anderen Ländern wahrgenommen wird. Real Ale deklassifiziert anderes Bier nicht als „unecht“, aber schafft wichtige produktrelevante Kriterien für diesen Typus Bier.
Real Ale ist ein unfiltriertes, unpasteurisiertes Bier, welches sich einer Nachgärung in dem jeweiligen Ausschankgefäß unterzieht. Das muss nicht zwingend in einem Fass sein, so wie man es als handgepumpte Spezialität vornehmlich kennt, sondern kann auch laut der Definition von CAMRA in Form einer Flasche sein, somit per Definition ein flaschenvergorenes oder genauer flaschengärendes Bier, ähnlich, wie man es vielleicht von diversen belgischen Bieren kennt.
Fassgezapft erinnert es an ein hiesiges ungespundetes Kellerbier oder wer schon mal im Brüsseler Café de la Becasse war, an ein (Ur-) Lambic. Der Alkoholgehalt ist in der Regel niedriger als das, was wir in Deutschland kennen und macht dieses Bier somit zu einem ausgesprochen „konsumigen“ Produkt.
Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom Spezialitäten-Händler Bierland Hamburg, der „kontinentalen“ Quelle des Real Ales (der Firma OnePint aus Dänemark) und der Kampagne für gutes Bier e.V. organisiert. Gastgeber war das Hamburger Sprechwerk, ein Alternativ-Theater, weit abseits der schillernden Theaterwelt der Hamburger City, was dem Flair einer Geheimtipp-Veranstaltung sehr förderlich war.
Firma OnePint versorgte die ca. 50 anwesenden Bier-Begeisterten mit einem aufregenden Querschnitt britischer Bierkultur. Darunter waren die beiden Real Ales London Pride (Fuller’s 4,1%) und Port Stout (O’Hanlon’s 5,0%), sowie zwei weitere Fuller’s Biere (London Porter 5,4% und deren Jubiläumsbier „1845“ 6,3%), weitere Biere waren das Nut Brown Ale und Imperial Stout (beide 5,0%) der Ausnahmebrauerei aus Yorkshire Samuel Smith.
Fuller’s London Pride gibt es auch in einer konventionellen Form mit ausgeprägten Hopfenaroma und etwas mehr Alkohol. Deren Jubiläumsbier „1845“ ist ein Barley Wine (verarbeitet wird hier nur die sog. Vorderwürze, d.h. der erste Abzug nach der Maische) und ist trotz der für einen Barley Wine eher mässigen 6,3% eine Geschmacksexplosion, Aromen wirken hier viel dichter und komplexer als in anderen Bieren.
Die Biere von Samuel Smith hatten beide einen leicht „metallischen“ Anklang, so eine Art „Bitzeln“ auf der Zunge, was vermutlich durch die Lagerung der Biere in schieferausgekleideten Lagertanks herrührt. Biere dieser Herstellungsart lassen sich kaum noch in eine betriebswirtschaftliche Schublade stecken. Deren Imperial Stout, einst als Ration für britisches Militär in Ãœbersee hergestellt, zeigte viel Kohlensäure, eine leichte Säure und eine ausgeprägte malzbasierende Bittere.
Fulminanter Abschluss der Veranstaltung waren die Biere Blandford Fly (Badger 5,0%) und Thomas Hardy 2007 (11,7%). Das Blandford Fly, benannt nach einem recht biestigen Insekt, was angeblich fürchterliche Bisswunden hinterlässt, stellte sich dementsprechend als geschmackliche Herausforderung dar. Der Anteil an Ingwer war ausgeprägt, Aroma der genutzten Blüten eher verhalten, aber laut dem kompetent-charmanten Referent Nick Sharpe eine wichtige Zutat in diesem Bier. Der genutzte Maple Syrup war geschmacklich dem Ingwer ebenfalls nicht gewachsen. Nick Sharpe meinte treffend „You either love it or hate it“.
Das abschließende Thomas Hardy ging in der angeregten Diskussion der Teilnehmer fast unter. Ein hochkonzentriertes, CO2-freies Genussprodukt, wobei die Konzentration unter den Zuhörern nicht mehr ausreichte, um es entsprechend zu würdigen.